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Musik Wagners «Ring» als grosses Lied

Im Wagnerjahr 2013 hat auch das Lucerne Festival seinen «Ring des Nibelungen» bekommen. In einer konzertanten Aufführung des vierteiligen Musikdramas haben Jonathan Nott und die Bamberger Symphoniker einen Kraftakt sondergleichen geleistet. Nun ist die Tetralogie am Radio zu hören.

Sendehinweis

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Zum 200. Geburtstag von Richard Wagner sendet Radio SRF 2 Kultur die Gesamtaufführung der Nibelungen-Tetralogie. Aufgenommen am diesjährigen Lucerne Festival.

  • «Rheingold»: Donnerstag, 19. Dezember, 22:00
  • «Walküre»: Sonntag, 22. Dezember, 21:00
  • «Siegfried»: Donnerstag, 26. Dezember, 20:00
  • «Götterdämmerung»: Sonntag, 29. Dezember, 21:00

Das Lucerne Festival ist ein Festival der grossen Orchester. Mit der Salle blanche, dem grossen Konzertsaal im KKL, steht für Orchestermusik ein idealer Raum zur Verfügung. Ein Raum, der Ende August für vier Abende zur Opernbühne wurde. Nicht, dass plötzlich ein Schnürboden eingezogen worden wäre oder ein Orchestergraben sich aufgetan hätte. Das Geschehen des «Rings» vollzog sich vielmehr in den Köpfen des Publikums. Dank einer exzellenten Aufführung.

Viel Lob von Kritikern

Wie Kritiker in ihren Zeitungsberichten bestätigen, war dieser konzertant ausgeführte «Ring» durchaus mit Gewinn zu hören. «Die kollegiale Komplizenschaft von Sängern und Musikern auf der Bühne vergegenwärtigte das Geschehen so, wie es Regisseure auf der Bühne versuchen», war in der «Neuen Luzerner Zeitung» zu lesen. Und der Kritiker der «Basler Zeitung» lobte nicht nur den Klang des Orchesters als «ungemein präsent und transparent», sondern liess sich (in den Pausen) sogar von einem gewissen «Bayreuth-Feeling» anstecken.

Eine ungemein plastische Musik

Erstaunlich bei diesem Erfolg ist weniger, dass ein exzellentes Orchester wie die Bamberger Symphoniker und Jonathan Nott – ihr Chefdirigent seit 14 Jahren – auf dem Konzertpodium eine Leistung erbrachten, die ohne Ablenkung durch Bühnengeschehen und Regie besser wahrgenommen wurde, als wenn sich das Orchester in einem zudem akustisch meist weniger vorteilhaften Orchestergraben befunden hätte.

Erstaunlich ist vielmehr, dass ausgerechnet der von Wagner ganz bewusst als Gesamtkunstwerk angelegte «Ring» von Publikum und Kritik in seiner konzertanten Aufführung nicht als Torso wahrgenommen wurde. Kein Nibelheim, keine Hundingshütte, kein Feuerfelsen, keine Bühnenzauber. Nur ganz wenige Lichteffekte, etwa wenn die Echokammern der Salle blanche in der «Götterdämmerung» rot erglühten. Dafür eine ungemein plastische Musik und eine Sängerbesetzung, die nur wenige Wünsche offen liess.

Der singende Mensch hat eine beeindruckende Urkraft

Orchester im Konzertsaal in Luzern.
Legende: Die Bamberger Symphoniker in der Salle blanche in Luzern. Lucerne Festival

Jonathan Nott suchte für seinen Wagner einen «deutschen» Orchesterklang, wie er in einem Interview sagte. Einen Klang «mit Tiefe und innerem Feuer, nicht zu brillant, schon kräftig, aber nicht einfach laut, sondern gefüllt».

Eventuelle Bedenken, dass das Sängerpersonal dieser konzertanten Aufführung vom Orchester überdeckt werden könnte oder dass die Bühnenhandlung fehlen könnte, zerstreute Nott. Der singende Mensch habe «eine beeindruckende Urkraft, und wenn es keine Kostüme und keine Regie gibt, hinter der sich ein Sänger verstecken kann, dann kann er eine eigene Welt erschaffen wie im Liedgesang».

Der «Ring» als grosses Lied also. Seine Protagonisten heimsten entsprechendes Lob ein, wie in den Berichten zu lesen ist. Ein «mächtiger Eckpfeiler» sei Albert Dohmens «resignatives Patos» verströmender Wotan. Petra Langs Brünhilde und Elisabeth Kulmans Waltraute wurden als «beispielhaft und herausragend» bezeichnet. Ein «heldentenorales Timbre» mit «Kraft und Metall» in der Stimme attestierte man Andreas Schagers Siegfried.

Auch in der Balance schien alles zu stimmen. So schrieb die «Neue Luzerner Zeitung», das Orchester habe die Sänger selbst in den «blechgepanzerten» Teilen nie über Gebühr bedrängt.

«Wagner im Ring»

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Das Special von SRF Kultur zum 200. Geburtstag von Richard Wagner.

Ersatz für das alte Stadttheater

Luzern beherbergte mit diesem «Ring» einen Sommer lang ansatzweise ein Opernfestival. Die Stadt verfügt ja eigentlich über ein Theater. Mit seinen beengten Platzverhältnissen und einer in die Jahre gekommenen Infrastruktur wäre es für eine Aufführung von Wagners «Ring»-Tetralogie aber ungeeignet.

Eine Initiative für eine Salle modulable, einen variabel grossen Musiktheatersaal, ging bereits 2007 vom Festival, dem Dirigenten Pierre Boulez sowie einem grosszügigen Mäzen aus. Mittlerweile hat auch die Stadt erkannt, dass es notwendig ist, einen Ersatz für sein 175 Jahre altes Stadttheater zu finden.

Die «Ring»-Tauglichkeit dürfte für ein solches Vorhaben weniger zentral sein, als die Möglichkeit, für Luzern mit seinen Institutionen, für das Lucerne Festival, aber auch für die freie Szene einen Spielort zu haben, der viele Bedürfnisse abdeckt. Verantwortliche rechnen nicht vor 2020 mit einem solchen Bau. Bis dahin müssen Wagner- und sonstige Opernfans fürs Grossformatige in andere Städte ausweichen. Oder sich mit konzertanten Aufführungen zufriedenstellen. Was, wie sich diesen Sommer gezeigt hatte, durchaus mit Gewinn verbunden sein kann.

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