In Zürich startete Bob Marley seine letzte Welttournee: die «Uprising Tour». Während der Reggae-Star am Nachmittag des 30. Mai 1980 im Zürcher Hallenstadion den Soundcheck vorbereitete, drängten sich draussen schon die Massen.
Das Konzert war seit Monaten restlos ausverkauft. 10'500 Personen waren dabei, als Marley um 20:50 Uhr mit seinen markanten Rastas in einer rot-gelb-schwarzen Jacke die Bühne betrat und den Song «Natural Mystic» anstimmte. Zwei Stunden lang stand Bob Marley auf der Bühne und spielte seine Hits.
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Wie ein Ausserirdischer
Während die letzten Töne verhallten, stand hinter der Bühne der langjährige Schweizer Radio, später DRS-Moderator Francois Mürner zum Interview bereit: «Es sah aus wie bei 1001-Nacht. Kissen überall, unglaublich schöne Frauen, ich weiss nicht, woher die alle kamen. Und mittendrin, völig zenmässig und ruhig: Bob Marley.»
Er und sein Kollege hatten Respekt vor der Situation. «Wir wussten, eigentlich gibt er keine Interviews. Dann durften wir das Powerkonzert mit ihm im Hallenstadion erleben. Er erinnerte mich an Iggy Pop oder Prince, die wir auch im Hallenstadion sahen und als Ausserirdische erlebten.»
Ist es schwierig, Bob Marley zu sein, fragt der Radiomann. Es sei ihm egal, wer Bob Marley ist, antwortet Marley. Es gehe ihm um die Botschaft in seinen Songs.
«Get Up, Stand Up!»
Und die Botschaft des letzten Songs, der auf der Zürcher Bühne spielte, ist angekommen: «Get Up, Stand Up!» Tausende Konzertbesucher fühlten sich aufgefordert, dem Protest zu folgen, der sich zu diesem Zeitpunkt nur wenige Kilometer entfernt vor dem Zürcher Opernhaus abspielte.
Rund 140 Personen hatten sich versammelt, um ein autonomes Jugendzentrum für die Stadt Zürich zu fordern. Der Stadtrat hatte zuvor ein solches Zentrum abgelehnt und gleichzeitig 60 Millionen Franken für die Renovation des Opernhauses bewilligt.
Wüste Auseinandersetzung
Mit Unterstützung der tausenden Konzertbesucher aus dem Hallenstadion kam es dann in der Innenstadt zu wüsten Auseinandersetzungen mit der Polizei: ein toter Polizist, ein Dutzend Verletzte, geplünderte und verwüstete Geschäfte, Sachschaden von mehreren 100'000 Franken, elf Verhaftete.
Nach Monaten der gewaltsamen Proteste lenkte die Zürcher Politik schliesslich ein und überliess den Jugendlichen die Rote Fabrik als Kulturzentrum. Im Jahre 1987 erhielt das Gebäude dann durch ein «Ja» des Zürcher Stimmvolkes offiziell den Status als Kulturzentrum.
Von all dem und seinem Einfluss auf die Zürcher Opernkrawalle dürfte Bob Marley nicht viel mitbekommen haben. Der Reggae-Star starb nur knapp ein Jahr nach seinem ersten und einzigen Konzert in der Schweiz im Alter von 36 Jahren an Hautkrebs.