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Porträt von Wigald Boning vor einer Hecke.
Legende: Wigald Boning hat ein besonderes Hobby: Er sammelt Nasenhaarschneider. imago/Stefan Zeitz

Musik Wigald Boning: «Ich finde es gut, wenn man das Publikum fordert»

Eigentlich hatte Wigald Boning vor, Philosophie und Musikwissenschaft zu studieren. Stattdessen wurde er erst Musiker und dann per Zufall Comedian. In seiner neuen Sendung «Rock the Classic» moderiert er nicht nur, sondern singt und spielt Querflöte.

Herr Boning, waren Sie auch eines dieser Kinder, die mit Blockflötenunterricht gequält wurden?

Bei mir war es Klavier. Ein schwarzes Kapitel. Die Lehrerin hatte einen knurrenden Yorkshireterrier, der mir das Leben schwer machte. Ausserdem hatte ich nie geübt, kannte aber alle Methoden, die Uhr so zu manipulieren, dass es aussah, als hätte ich 30 Minuten lang gespielt. Mit 14 habe ich mir dann selber Querflöte beigebracht.

Woher auf einmal das Interesse?

Ein Bekannter meines Vaters spielte mir das Konzert aus der Massey Hall von 1953 mit Charlie Parker, Dizzy Gillespie und einigen anderen vor. Es dauerte zehn Sekunden, und meine Berufswahl war geklärt. Ich wollte Jazzmusiker werden.

Sendehinweis

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« Rock the Classic » ist eine Serie von 3sat. Die Doppelfolgen werden am 28. November um 21:45 Uhr, 5. Dezember um 22:15 Uhr und 12. Dezember um 21:45 Uhr

ausgestrahlt.

Was faszinierte Sie?

Die Atmosphäre. Und, so würde ich das im Nachhinein benennen, eine Form von Erotik. Ich war völlig entflammt. Nun ist Querflöte ja nicht gerade ein Instrument, mit dem man Mädchen beeindruckt. Gar nicht, aber ich konnte mir kein Saxofon leisten. Später habe ich mir eines zugelegt, das war männlicher und cooler.

In Ihrer neuen Sendung «Rock the Classic» interpretieren Rock- und Popbands klassische Meisterwerke. Was ist die Idee dahinter?

Es geht darum, den Graben zwischen ernster und Unterhaltungsmusik zu überbrücken. Da gibt es jede Menge Anknüpfungspunkte. Die Schweizer Elektro-Popband Heidi Happy zum Beispiel liefert die kreative Glanzleistung, die «Badinerie» von Johann Sebastian Bach so zu verändern, dass sie in ihr Repertoire passt. Ein spannender Prozess, aber auch ganz schön anspruchsvoll.

Keine Angst, das Publikum zu überfordern?

Ich habe sofort zugesagt, weil die Position des Musikerklärers im Fernsehen vakant ist. Justus Frantz, Alfred Brendel und – vor allem – Leonard Bernstein haben fantastische Fernseh-Brillanten gemacht. Die waren viel komplizierter als das, was wir uns erlauben. Ich bin da sehr entschieden, ich finde es gut, wenn man das Publikum fordert.

Was hat Sie beim Dreh am meisten erstaunt?

Es ist jedes Mal ein Abenteuer, mitzuerleben, was die Leute sich ausdenken. Die einen sagen: Noten her, wir spielen das. Die anderen machen das Gegenteil, probieren lange herum. Eine grundlegende Erkenntnis ist, dass es unzählige Wege gibt, zum Ziel zu kommen. Was hoffen lässt, dass das ein Format ist, das man länger machen könnte. Ich wünsche mir auch Roberto Blanco in der Sendung!

Woran erkennt man gute Musik?

Kunstwerke berühren mich dann, wenn Liebe erkenn- oder hörbar ist. Es geht nicht um ein dolles technisches Level. Nehmen wir den Strassensänger Waldemar Elvis, der in meiner Heimatstadt Oldenburg hoch angesehen ist. Seit Jahrzehnten spielt er dort auf einer verstimmten Gitarre und singt dazu krumm und schief seine Lieder. Ich verehre diesen Mann. Für seine Ausdauer – und für viele andere Kleinigkeiten.

Was für ein Arbeitstyp sind Sie? Perfekt vorbereitet oder improvisierend?

Ich mag es spontan. In der Sendung haben wir Experten, die erklären, worum es geht. Ich versuche als Moderator, die Position des Zuschauers einzunehmen. Und ab und zu spiele ich auf der Querflöte mit.

Sie haben nach der Schule keine Berufsausbildung gemacht. Was empfehlen Sie Ihren Söhnen?

Der eine liebäugelt mit so einem Weg. Ich hoffe, ich kann ihn davon überzeugen, dass das nicht nachahmenswert ist. Andererseits:Meine Eltern waren damals auch dagegen. Ich habe zu meinem Vater, der Kreisvorsitzender der FDP in Oldenburgwar, immer gesagt: «Wieso? Du sagst doch immer, jeder Mensch muss mit seinem Schicksal machen können, was er will.» Dem konnte er nichts entgegnen.

Stattdessen brachten Sie als Musiker mehrere Alben heraus, allerdings eher erfolglos. Woran lag’s?

Ich spielte in einer sehr avancierten Free-Jazz-New-Wave-Band und experimentierte mit dadaistischen deutschen Texten. Wir sassen zwischen allen Stühlen, niemand kapierte, was wir machen wollten. Das klang von aussen wie Schlager oder wie Comedy, die es damals aber so noch nicht gab. Als es dann 1993 mit der Comedy-Welle losging, hatten sowohl Olli Dittrich als auch ich schon lange, erfolglose Musikerkarrieren hinter uns und wussten, wie man es nicht macht.

Wie kamen Sie zum Fernsehen?

Ich lernte eines Tages den Regisseur Horst Königstein kennen, der leider 2013 gestorben ist. Er besetzte gerade seinen ersten Kinofilm «Hard Days, Hard Nights» (1989) und fragte mich, ob ich nicht die Rolle eines unglücklich verliebten Kochs übernehmen wolle. Das war ein grossartiger Einstieg – und der beste Film, den ich bisher gedreht habe.

Und wann haben Sie Ihr Talent zur Komik entdeckt?

Das war 1990 bei der Arbeit an einem Dokumentarfilm über den Tag der Währungsunion, «Der geile Osten». Ich war für die Interviews zuständig, für mich wichtige anthropologische Studien. Danach riefen mich zwei Fernsehproduzenten an und sagten: «Das war ja superlustig!». So war es gar nicht gemeint. Daraus ist dann viel entstanden, und ich habe mit dem Missverständnis leben gelernt.

Apropos lustig, wir müssen über Ihre Klamotten sprechen.

Ach ja?

Sie sind berühmt für Ihre schrillen Outfits, in «Rock the Classic» tragen Sie zu Shorts und Krawatte ein gehäkeltes Klorollen-Hütchen auf dem Kopf.

Das sind meine privaten Klamotten, ich bin zu faul, mich extra umzuziehen. Unter uns: Das sind vor allem praktische Überlegungen, denn wann immer es geht, fahre ich mit dem Fahrrad zum Dreh, da muss alles in einen Rucksack passen. Deshalb trage ich oft kurze Hosen, da habe ich weniger zu schleppen.

Und was machen Sie, wenn Sie weiter wegmüssen?

Eine Strecke wie München-Salzburg radle ich ohne Probleme. Wenn ich fliege, habe ich immer ein Klapprad dabei, damit fahre ich vom Flughafen in die Stadt. Auch im Ausland. In Istanbul zum Beispiel ist das überraschend grossartig. Für mich die optimale Vermählung von Arbeit und Freizeitvergnügen.

Ist Comedy auch eine Art Ausdauersport?

Nein, Komik und Sport sind Antagonismen. Beim Sport geht es ums Durchhalten, Humor ist dagegen interessant für alle, die das nicht schaffen und ein Ventil brauchen.

Hat die Begeisterung fürs Radfahren etwas mit dem Älterwerden zu tun?

Sich selbst spüren, sich noch einmal jung fühlen, das können Motive sein. Mein Ausgangspunkt war aber der, dass ich aufs Land gezogen war und mich über das viele Autofahren ärgerte. Ich hasse das wie die Pest. Vor allem das Im-Stau-Stehenund die Parkplatzsuche. Ich probierte Alternativen – und blieb beim Fahrrad hängen. Den Alterungsprozess bejammern, das kam bei mir erst später. Frei bin ich davon nicht.

Sie pflegen eher skurrile Hobbys und sammeln neben Einkaufslisten auch Nasenhaarschneider. Erzählen Sie!

Ich habe eine Vitrine zu Hause, in der liegen mehr als hundert Nasenhaarschneider. Herrliche Geräte. Ich werde mir bald noch mehr zulegen, weil der technische Fortschritt ein paar neue Modelle hervorgebracht hat. In Wirklichkeit sind aber vor allem die Verpackungen interessant.

Aha?

Meistens ist darauf ein Nasenhaar-Model abgebildet, das gerade dabei ist, den Trimmer zu benutzen. Die Bandbreite ist sehr gross, es sind schöne Frauen darunter und gut aussehende Männer. Am liebsten sind mir aber die mit den unattraktiven älteren Herren. Was soll ich sagen? Der Mensch ist halt ein komisches Tier.

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