Wenn sich der Ostschweizer Musiker, Komponist und Sound-Engineer Ramon Landolt ins Eis wagt, ist er erst einmal weg. Und zwar für länger. Die Musikproduktion im Eis nimmt nämlich mehrere Tage in Anspruch.
Denn die klanglich faszinierenden Orte befinden sich nicht an den flachen Stellen eines Gletschers, sondern in verwinkelten Eishöhlen, Spalten oder bei Gletscherseen. Die sind schwierig zu erreichen, und der Weg dahin kann gefährlich sein.
Geduld bringt Töne
Deshalb sind immer auch ein Bergführer oder eine Bergführerin dabei, die Landolt, das Foto- und Videoteam und manchmal auch eine Gastmusikerin oder einen Gastmusiker begleiten.
Ist man mal vor Ort und sind die Mikrofone eingerichtet, geht es oft darum zu warten. Ein Gletscher ist je nach Tageszeit unterschiedlich aktiv. In der Nacht passiert oft nichts. Aber zur Mittagszeit lassen sich in der Nähe einer Spalte regelrechte Soundexplosion einfangen, die einem das Gefühl geben, mitten in einem Regenwald zu stehen.
Vom Plätschern zur Pracht
Solche Geräusche sind von blossem Ohr kaum auszumachen. Um sie festzuhalten, braucht es Erfahrung und eine spezielle Ausrüstung. Man benötigt sogenannte Hydrofone oder spezielle Kontaktmikrofone, die man möglichst nahe an den Klangquellen platzieren muss. Ausserdem müssen die Klänge verstärkt werden, damit sie im Kopfhörer hörbar werden.
Acht solcher Expeditionen hat Ramon Landolt in den letzten drei Jahren unternommen. Zwischen dem anfänglichen Plätschern, das er irgendwo eingefangen hat, bis zur Klangvielfalt steht ein wichtiger Lernprozess.
Jammen im Eis
Zum Gletscher zu wandern, Klänge aufzunehmen und sie später im Studio zu manipulieren und zu Musik zu verarbeiten, ist nur ein Teil des Projekts. Ein zweiter, zentraler Aspekt ist, dass Landolt Kompositionen schreibt, die von Musikerinnen und Musikern vor Ort performt werden.
Dadurch, dass diese mit Kopfhörern spielen – und so die Klänge des Gletschers hören und darauf reagieren können – entsteht eine Art Dialog, den Ramon Landolt mit seiner Aufnahmeausrüstung dokumentiert.
Gletscher goes Grossstadt
Landolt sagt, er wolle mit seinem Projekt auf eine subjektive Art und Weise die Geschichte von Orten erzählen, die ausserhalb von einer menschlichen Umgebung liegen.
Doch das Publikum soll diese Klänge nicht einfach zu Hause oder unterwegs auf Spotify hören. Am besten funktioniere seine Musik im Rahmen einer Klanginstallation. Am liebsten noch im öffentlichen Raum, damit alle einen Zugang haben, wie beispielsweise auf dem Schiffbauplatz in Zürich anfangs 2023.
Eine positive Note
Für den Musiker ist klar, dass die wissenschaftlichen Daten zur Klimakrise unerlässlich sind. Harte Fakten dienen als Warnung. Doch Zahlen allein würden nicht reichen, um die Menschen dazu zu bringen, Verantwortung zu übernehmen, so Landolt.
Die sinnliche Erfahrung sei ebenfalls wichtig. Ob man nun – wie er – selbst nah an der Natur dran ist, oder eben über ein Kunstprojekt wie «Iced Sound» den Zugang findet. Es brauche auch schöne Erlebnisse, damit wir Menschen uns den Herausforderungen der Klimakrise stellen können.