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Naturjodel und Gedächtnis Wer jodelt, braucht eine gute Stimme – und Köpfchen

Wie können sich Jodlerinnen und Jodler 3000 verschiedene Melodien auswendig merken? Forschende der Hochschule Luzern sind diesem «Jodeln im Kopf» nachgegangen.

Über 3000 Jodel-Melodien: So gross ist der Schatz der Naturjodelsammlung des Roothuus Gonten, dem Zentrum für Appenzeller und Toggenburger Volksmusik. Es sind Melodien, die von Jodlerin zu Jodler nur mündlich weitergegeben werden.

Doch wie können sich die Jodlerinnen und Jodler all diese Melodien merken? Eine Frage für die Wissenschaft: Kognitionswissenschafter Raymond Ammann und sein Team von der Hochschule Luzern suchten Antworten.

Was ist ein Naturjodel?

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Die Bezeichnung «Naturjodel» bezeichnet heute vor allem einen alleinstehenden Jodel ohne Text.

Er wird mündlich überliefert und ist in der Innerschweiz, im Appenzellischen, im Toggenburg und im Berner-, Greyerzer- und Freiburgerland beheimatet.

Es gibt nicht den einen Weg

Ihr Fazit: Jodlerinnen und Jodler wenden ganz unterschiedliche Erinnerungsstrategien an. Zum einen schaffe das kontinuierliche «Üben, Üben, Üben» feste Verbindungen im Gehirn.

Es funktioniere aber auch über assoziative Ketten, so Raymond Ammann: «Sie denken etwa an einen emotional wichtigen Moment in ihrem Leben, als die Melodie spielte.»

Die Melodie zerlegen

Generell hilft es, die Melodie in kleine Einheiten zu zerlegen – in Motive aus wenigen Tönen. Raymond Ammann erklärt das so: «Das ist dasselbe, wie wenn ich Ihnen eine Telefonnummer angebe. Dann sage ich auch nicht die zwölf Ziffern hintereinander auf, sondern setze die Nummer zusammen aus Gruppen von je zwei oder drei Ziffern.» So könne sich das Gehirn die Zahlenabfolge oder Melodie besser merken.

Foto altes Notenblatt, schwarz gemalte, schwungvolle Noten auf vergilbtem Papier
Legende: Die Kureien aus dem Liederbuch der Maria Josepha Barbara Brogerin (1730). Die Melodien sind zwar notiert, werden aber nur mündlich weitergegeben. Roothuus Gonten

Eine Jodel-Starthilfe

Doch die Strategien helfen meist nur, um sich den Anfang einer Melodie zu merken.

Nach dieser Starthilfe orientieren sich Jodlerinnen und Jodler an den einfachen Strukturen des Gesangs: «Es gibt praktisch ein Grundgerüst der Struktur der Naturjodel in der Ostschweiz. Dieses muss verinnerlicht sein», so Raymond Ammann. Wenn man dieses Gerüst kennt, könne man auch zu unbekannten Melodien eine zweite Stimme singen oder sie mit Akkordtönen begleiten.

Foto drei Männer in traditionellen Hosenträgern und rotem Gilet. Hinter ihnen Kühe, laufen Strasse entlang.
Legende: An der Schweizer Viehschau in Appenzell (2016) geben die Bauern ihr Jodel-Repertoire im Laufen wieder. Keystone / Gian Ehrenzeller

Die Jodel-Schwarmintelligenz

Mitjodeln ist also viel einfacher als vorjodeln. Das hat den Vorteil, dass Jodelvereine auf eine Art Schwarmintelligenz setzen können. Wenn bei fünf Mitgliedern alle den Anfang von je sechs verschiedenen Melodien kennen, umfasst das Repertoire des Vereins schon 30 Melodien.

Der Nordostschweizer Naturjodel ist also weit mehr als nur Volksmusik. Er veranschaulicht auf besondere Weise, welche kognitiven Prozesse zusammenspielen, wenn wir Melodien auswendig lernen.

Buchhinweis

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Raymond Ammann, Andrea Kammermann, Yannick Wey: «Jodeln im Kopf». Chronos, 2021.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 05.10.2021, 7:52 Uhr ; 

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