Der neue Dokumentarfilm «Der Klang der Stimme» von Bernard Weber erzählt von vier Menschen, die mit Leidenschaft die Grenzen der menschlichen Stimme ausloten: Die Sopranistin Regula Mühlemann sucht den perfekten 360-Grad-Rundum-Klang. Andreas Schaerer erfindet mit seiner Stimme neue Instrumente. Matthias Echternach forscht mit wissenschaftlichen Methoden nach dem Geheimnis der Stimme. Miriam Helle begleitet mit unkonventionellen Klängen Menschen auf dem Weg zu sich selbst.
Stimme ohne Grenzen
An der Universitätsklinik Freiburg untersucht Matthias Echternach die Stimmen von Sängerinnen und Sängern aus aller Welt. Auch die von Georgia Brown aus Brasilien. Sie kann so hoch singen, dass seine Geräte ihren Gesang nicht mehr messen können.
Der Stimmumfang ist bei jedem Menschen anders. Irgendwann geht es nicht mehr höher oder tiefer, lauter oder leiser. Die Sopranistin Regula Mühlemann versucht, diese Grenzen täglich auszuloten.
Sie ist auf der Suche nach dem perfekten Klang. «Der klingt rund und unangestrengt. Er schwingt frei im Raum und ist riesig, wie ein Bild», so Mühlemann im Film.
Wenn die Stimme wegbricht
Manchmal scheint es, als habe Regula Mühlemann diesen Idealklang gefunden. Sie ist für einen Moment ganz nah dran. «Dann habe ich wieder das Gefühl, von vorne anfangen zu müssen!»
Der Film zeigt Regula Mühlemann in einer Szene während CD-Aufnahmen. Ihre Stimme bricht. Bleibt weg. Versagt. Regula Mühlemann flucht.
Scheitern gehört dazu
«Der Klang der Stimme» zeigt, dass Scheitern Teil der Suche nach dem perfekten Klang ist. Dass Regula Mühlemann so offen ihre Schwächen zeigt und darüber spricht, macht den Film erst richtig stark. Perfektion ist mehr, als ein feingeschliffener, polierter Klang – mehr als nur Photoshop für die Stimme. Es geht um Ehrlichkeit, Natürlichkeit und Gefühl.
Auch der Jazzsänger und Stimmkünstler Andreas Schaerer versteht Fehler und Scheitern als Chance für die Musik. Viele der Klänge, die er heute kontrolliert auf der Bühne nutze, seien ursprünglich aus einem Fehler entstanden. «Ich plädiere für ein Restquäntchen an Improvisation in jeder noch so choreographierten Bühnenshow», so Schaerer.
Zwischen Intuition und Kontrolle
Weg von der Perfektion, zurück zum Ursprung – diesen Ansatz verfolgt auch die Stimmtherapeutin Miriam Helle. «Neugeborene und Kinder brauchen ihre Stimme intuitiv. Viele Erwachsene dagegen nutzen ihre Stimme nur noch kontrolliert.»
Die eigene Stimme kann auch beängstigen. Wie so vielen habe man auch ihr in der Schule gesagt, sie könne nicht singen. Miriam Helle versucht, die Menschen mit ihrer Arbeit wieder näher an sich und ihren eigenen, authentischen Klang zu bringen.
Die Stimme mit allen Facetten zeigen
Zur Klientel der Stimmtherapeutin zählen TV-Moderatorinnen, Geschäftsleute und Kinder. Miriam Helle sucht nicht nach dem «schönen» Klang der Stimme. Die Stimmen in ihren Sitzungen klingen teilweise verstörend. Wie besessen, jammern und stöhnen die Menschen oder schreien sich den Schmerz aus der Seele.
Der Film zeigt die intimen Seiten der menschlichen Stimme und wie stark verfremdet unser Bezug zur eigenen Stimme ist. Aber wie die schönen, so faszinieren uns auch diese dunklen und schmerzvollen Töne.
Magie entschlüsseln?
Der neue Dokumentarfilm «Der Klang der Stimme» von Bernard Weber kann das Geheimnis der Stimme nicht lüften. Er zeigt vielmehr auf, wie facettenreich unsere Stimme ist, wie bunt und lebendig.
Matthias Echternach fragt am Ende des Films: «Wollen wir diese Magie entschlüsseln – wollen wir wissen, warum die Stimme so toll wirkt? Oder wollen wir die Stimme nicht lieber als Mysterium lassen?»
Kinostart: 8. Februar 2018