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Die Zeichnung zeigt eine Frau in in inniger Pose mit zwei Männern.
Legende: Wer liebt wen? Eigentlich soll alles nur ein Spiel sein, doch das gerät bei «Così» schnell ausser Kontrolle. SRF/Patrice Gerber

Opernführer «Così fan tutte»: Böses Spiel mit lodernden Herzen

In «Così fan tutte» zerschellt der Traum von ewiger Liebe an der Realität. Das kongeniale Duo Mozart / da Ponte schrieb die Oper, die 1790 Premiere feierte. Ihr Wahrheitsgehalt ist verblüffend zeitgemäss – auch über 200 Jahre nach ihrer Uraufführung.

Verliebte wollen immer an Unvergänglichkeit ihrer Liebe glauben und an die Reinheit des Herzens. So auch der junge Offizier Ferrando. «La mia Dorabella capace non è», beteuert er: Seine Liebste Dorabella könnte ihn nie hintergehen. Auch sein Freund Guglielmo schmachtet, seine grosse Liebe Fiordiligi, Dorabellas Schwester, sei so standhaft wie schön.

Das sieht der diabolische Don Alfonso anders und schlägt den zwei Männern eine Wette vor. Unterstützt von der Zofe Despina wird er den jungen Paaren beweisen, dass Verführbarkeit nur eine Frage der Mittel ist. Ein böses Spiel mit derart betörenden Klängen, dass dem Publikum mindestens die Verführbarkeit mit den Mitteln der Musik von Mozart unwiderlegbar vor Augen und Ohren geführt wird.

Der Opernführer

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Porträt von August Schram, die Hände angehoben, mit den Handflächen gegen oben.
Legende: SRF

Vorhang auf für Liebe, Sex und Crime. Es wird geliebt und gehasst, gefleht und verlassen, gemordet und gestorben. Das ist Oper – und das ist zeitlos. August Schram stellt Opern vor und zeigt, wie leicht man in diese magische Welt eintauchen kann.

Social Media: die aktuellste «Schule der Liebenden»?

Man kennt sie aus der Zeitung oder dem Bekanntenkreis: die in der kleinen Runde vorgebrachten Geschichten des Treuechecks mit falschen Social-Media-Identitäten. Und man weiss, dass diese Geschichten meistens schlecht ausgehen.

«Così fan tutte ossia La scuola degli amanti» («So machen es alle [Frauen] oder Die Schule der Liebenden») heisst die Oper von Wolfgang Amadeus Mozart. Sie müsste wohl heute – oder immer schon – «So machen es alle Frauen und Männer» heissen. Ihr Wahrheitsgehalt ist verblüffend zeitgemäss – auch über 200 Jahre nach ihrer Uraufführung. Geändert haben sich nur die Testmethoden.

Lustvoll geprüft, leidvoll gelebt

Die Treueprüfung beginnt auch heute als Spiel. Man ist sich der Treue des oder der Liebsten nicht sicher und testet mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Die Oper «Così fan tutte», eigentlich ein Lustspiel («dramma giocoso»), endet aber mit der tiefen Erschütterung aller, der Geprüften wie der Prüfer. Es ist die Enttäuschung darüber, dass jeder und jede untreu wird, wenn die Verführung nur gezielt genug geplant und durchgeführt wird.

So bleiben moderne Paare genauso wie Mozarts Figuren am Ende trotz Versöhnung ratlos zurück. Die Gewissheit über eine mögliche Untreue nagt an den romantischen Vorstellungen der Liebenden. Es ist die Vertreibung aus dem Paradies oder eine rationale Anpassung der Vorstellung in Bezug auf die Liebe. In der Oper und im Leben.

Die Angst vor der Liebe ohne sichere Werte

Wenige Wochen nach der Uraufführung von «Così fan tutte» am 26. Januar 1790 am Burgtheater Wien starb Kaiser Joseph II. Er hatte die Oper bei Mozart und dem Librettisten Lorenzo da Ponte in Auftrag gegeben. Den Kaiser soll die Uraufführung auch durchaus belustigt haben.

Weitere Vorstellungen wurden zuerst aus Gründen der Hoftrauer nicht geplant. Es war aber nicht der einzige Grund, weshalb es bis zu Mozarts Tod nur zu 10 weiteren Aufführungen von «Così» in Wien kam. Der Inhalt der Oper mit dem zynisch-realistischen Ausgang war für das Publikum der damaligen Zeit zu viel.

Dieses Lustspiel mit Verkleidungseffekten und Verwechslungskomik erschütterte die bürgerlichen Wertvorstellungen. Was würde von der Liebe bleiben, wenn die Treuebasis von Frauenseite nicht gesichert war?

Kritik von Beethoven und Wagner

Librettist da Ponte hatte mit seiner Geschichte, als Lustspiel getarnt, die Verlogenheit von Beziehungen angeprangert. Beethoven persönlich soll an der Geschichte moniert haben, dass wichtige, ernsthafte Gefühle ins Lächerliche gezogen würden. Auch Richard Wagner kritisierte später die Oper aufs Schärfste, allerdings wohl nicht aus moralischen Gründen: Man darf vermuten, dass ihm der nötige Sinn für Humor fehlte, um «Così» überhaupt zu verstehen.

Verschiedene Bearbeitungen der Mozartoper waren die Folge, man versuchte sogar der Musik eine ganz neue Geschichte zu verpassen. Erst 100 Jahre später leitete ein Dirigent die «Così»-Wiedergeburt ein. Heute gehört die Oper zu den Repertoirestücken der Opernhäuser auf der ganzen Welt.

Haneke und Bieito im Umgang mit der Liebesschule

2013 versuchte sich der österreichische Regisseur und Oscargewinner Michael Haneke an dem zeitlosen Stoff um Liebe und Untreue. Er inszenierte am Teatro Real in Madrid ein Psychodrama. Am Ende weiss bei Haneke keiner mehr, wer eigentlich wen liebt und warum.

Er nahm damit eine These aus dem 19. Jahrhundert wieder auf, dass Mozart und da Ponte die falschen Liebenden zusammengeführt hätten. Das Liebeschaos habe sich besonders für Fiordiligi durchaus gelohnt, denn sie habe mit dem Tausch nichts verloren, sondern die wahre Liebe gefunden.

Der Skandalregisseur Calixto Bieito inszenierte 2015 am Theater Basel eine «Così»-Version, die den Anstifter zur Untreue und die Szenen seiner Ehe in den Fokus rückte. Bei ihm waren Don Alfonso und Despina ein desillusioniertes Paar. Und die Irrungen der jungen, lustgesteuerten Paare zeigte er als schmerzhafte Erinnerung einer reifen Liebe voller Enttäuschungen und Verletzungen.

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