Kaum betritt man die Wohnung von Els Biesemans, wird man von ihren vier Hammerflügeln begrüsst. Rechts und links an den Wänden zusammengeschoben, stehen sie im Esszimmer der Musikerin.
Erst letzten November ist sie mit ihnen zusammengezogen. Davor waren die Instrumente an anderen Orten verteilt.
Da ist zum Beispiel die Kopie eines frühen Wiener Hammerflügels von 1805 von Paul McNulty, aber auch ein waschechter Schubert-Flügel (Brodmann, ca. 1825) mit eingebauten Gadgets: Pauke und Glocke.
Pflegebedürftige Mitbewohner
Die vier Instrumente tragen «Pyjamas» und stehen auf massgeschneiderten Teppichen. «Wegen der Bodenheizung», sagt Els Biesemans, «das ist nicht optimal für die Instrumente.»
Die 200 Jahre alten Hammerflügel sind anspruchsvoller, als moderne Konzertflügel. «Ich muss viel öfter stimmen und regulieren. Manchmal denke ich, ich muss mehr üben, wenn ein Triller nicht mehr so flott kommt. Dabei ist es nur der Flügel, der ein bisschen mehr Pflege braucht.»
Die Flügel aus Holz leben und bewegen sich, sagt die 40-jährige Wahlschweizerin. «Der Brodmann-Flügel etwa ist nicht mehr so gerade, das Hinterbein steht richtig schief.»
Stören würde sie das nicht, so die Musikerin, denn für den Klang spiele das Aussehen keine Rolle. «Wenn Menschen altern, bekommen sie ja manchmal auch einen Buckel!»
Musikalische Zeitreisen
Klingt trotzdem nicht nach einfachen Mitbewohnern. Doch die Pianistin geniesst das Leben in ihrer Hammerflügel-WG.
«Das ist meine Familie, meine Instrumente sind meine Babys.» Jedes der Instrumente habe seinen ganz eigenen Kopf, also seinen eigenen Klang. Das sei herrlich. «Ich komme nach Hause und habe für jedes Repertoire das perfekte Instrument. Die sind wie eine Zeitmaschine, so authentisch.»
Sie könne damit 200 Jahre zurückreisen und Klänge hören, die schon Mendelssohn, Chopin und Schumann gehört haben. Sie sei ein echter Glückspilz – trotz der Pflege.
Wie eigene Kinder
Ein Lieblingsinstrument habe sie nicht. «Ich liebe sie alle so sehr, wie man die eigenen Kinder liebt.»
Zwar hätte Biesemans nie gedacht, dass sie mal zur Sammlerin werden würde, «aber bei den meisten Flügeln war es Liebe auf den ersten Blick», schwärmt die Musikerin. «Ich kann mir vorstellen, dass ich mich im Leben nochmal verliebe in so ein Instrument.»
Platz für einen weiteren Flügel hätte sie sogar noch. Trotzdem geht es ihr nicht alleine ums Sammeln. «Ich liebe diese Klänge einfach. Mit historischen Instrumenten erreiche ich eine andere Dimension, ich komme viel näher dran. Es fühlt sich richtig an und es hilft mir auch, diese Musik besser zu verstehen.»
Eine Leidenschaft, die Leiden schafft
Um auch dem Publikum diese Musik vergangener Zeiten näher zu bringen, reist Els Biesemans mit ihren Hammerflügeln zum Konzert an. «Der Geiger packt seine Geige einfach in den Koffer. Ich muss einen Transporter mieten und bin auf starke Männer angewiesen», so die 40-Jährige.
Zum Glück seien die Instrumente nicht so schwer, etwa 100 bis 150 Kilo. Nur der Pleyel-Flügel bringt mehr auf die Waage und bleibt darum auch meist zu Hause. «Den habe ich nur einmal in Eigenregie transportieren lassen und einer der Helfer hat sich einen Hexenschuss geholt. Ich möchte nicht, dass das nochmal passiert.»
Sie verfluche sich manchmal sowieso dafür, dass sie sich das antue. «Aber das ist halt die Leidenschaft, die Leiden schafft», sagt Biesemans, aber: «Es geht nicht ohne.» Nicht ohne ihre Babys.