Pink Floyd schafften den raren Spagat zwischen künstlerischer Avant-Garde und Hit-Parade, um schliesslich mit gewaltigen Bühnenshows den Begriff «Rock-Konzert» neu zu definieren. Nun ist die Welt von Pink Floyd geschickt ins Museum übersetzt worden – ins Londoner V&A.
Von Bowie zu Pink Floyd
Das imposante Victoria & Albert-Museum in Kensington ist eines der schönsten Museen in London. Es ist den dekorativen Künsten und dem Kunsthandwerk gewidmet. Dazu wird auch die Popkultur gezählt.
Mit einer grossartigen David Bowie-Ausstellung setzte das Museum vor vier Jahren neue Massstäbe für ein Unterfangen dieser Art. Ausgestellt waren nicht nur Poster, Instrumente, Kostüme und andere Memorabilia. Mit vielen anderen Objekten wurden Verbindungen zwischen gesellschaftlichen Entwicklungen, Zeitgeist und kreativem Schaffen aufgezeigt, die weit über das Phänomen Bowie hinausreichten.
Ein spektakuläres Bildvokabular
Nun wird der Trick wiederholt, diesmal mit Pink Floyd im Mittelpunkt. Keine andere Band beschäftigte sich intensiver mit der visuellen Komponente ihrer Präsentation als Pink Floyd.
Ausgehend vom psychedelischen Farbgetümmel der Sixties entwickelte die Band ein spektakuläres Bildvokabular, das den Grundstein legte für die gigantischen Multi-Media-Shows der späteren Jahre und die Sprache der Pop-Videos.
Mit Kopfhörern durch die Vergangenheit
Angesichts der spektakulären ästhetischen und musikalischen Kulisse, vor der sich die Geschichte von Pink Floyd abspielte, wäre es geradezu unmöglich, daraus eine langweilige Ausstellung zu machen. Und tatsächlich: «Pink Floyd – Their Mortal Remains» enttäuscht nicht.
Natürlich bekommt der Besucher am Eingang einen Empfänger samt Kopfhörer um den Hals gehängt, der ihn durch die chronologisch aufeinander folgenden Räume begleitet.
Blues, Bilder und Barrett
Je nach Position dringen aus dem Kopfhörer die Musik, die zum Ausstellungsobjekt passt, oder Interviews mit allen lebenden Bandmitgliedern zu all den thematischen roten Fäden, die durch das Leben der Band führen: die Anfänge im Blues, das Zusammenspiel von Bild und Musik in der Psychedelik, das tragische Leben von Syd Barrett, der Zorn, der in die beiden Alben The Wall und Animals mündete.
Skizzen von monumentalen Bühnenbildern
Wie schon bei der Bowie-Ausstellung haben die Protagonisten selber in ihren Archiven gegraben und viele faszinierende Souvenirs und Dokumente zusammengetragen.
Die Liste reicht von den ersten Poster und Zeitschriften über Notizbücher, rare Photos und antike Synthies bis hin zu Skizzen für die monumentalen Bühnenbilder der 70er und 80er Jahre. Zusätzlich wird der kulturelle und politische Kontext mit filmischen, klanglichen und gedruckten Zeitdokumenten aufgezeigt.
Eindrücke, dicht an dicht
Angesichts der umwälzenden Ereignisse auf der ganzen Welt, welche die frühen Jahre von Pink Floyd begleiteten, verwundert es wenig, dass die Konzentration von spannenden Informationen, kühner Musik und knalligen Eindrücken in den ersten Räumen am dichtesten ist.
Nach dem Erfolg von «Dark Side of the Moon» und «Wish You Were Here» rückt das Bestreben, allumfassendes «Entertainment» – allerdings mit sozialkritischen Inhalten – zu bieten und damit die pionierhafte, vor allem für Tech-Fans interessante Bühnentechnologie in den Vordergrund.
Zum Schluss wird geködert
Als die Kraft der Musik nachlässt, werden auch die Gedankenblitze und Einsichten seltener. So kann man sich fragen, was ein Modell des «Division Bell»-Gesichtes zum Verständnis von Musik und Band beitragen soll.
Egal. Die Palette von Eindrücken, die aus den früheren Jahren bleiben, ist so eindrücklich, dass es keine Rolle mehr spielt, wenn die letzten Räume den Eindruck vermitteln, sie seien so etwas wie die Bonus-CD mit lustigen aber irrelevanten Fundstücken, mit denen man Fans zum Kauf eines neuen Box-Sets ködert. Kurzum: Diese Ausstellung ist eine Reise wert.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 15.5.2017, 8.20 Uhr