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Presseschau zur SRF-Recherche Der schwule Chopin geht um die Welt

Der polnische Komponist Frédéric Chopin liebte Männer? Eine SRF-Recherche sorgt für Aufsehen und Aufregung – rund um den Globus.

In Grossbritannien , Frankreich und Italien , in Israel , Indonesien und Indien und natürlich in Chopins polnischer Heimat: Die «musikwissenschaftliche Bombe», wie das deutsche Magazin Mannschaft die neuen Erkenntnisse über Chopins Homosexualität nennt, macht Schlagzeilen.

In Polen ein Popstar

Woher kommt das grosse Interesse? Da ist zunächst, so erläutert etwa CNN , die majestätische Verehrung, die Chopin in Polen geniesst. Übertroffen wird sie nur von seinen Landsleuten Papst Johannes Paul II. und Marie Curie, der Nobelpreisträgerin. Chopin bewegt also die Massen.

Kommt dazu: Frédéric Chopins Archivare und Biografen sollen jahrhundertelang bewusst die Augen vor den homoerotischen Briefen des Komponisten verschlossen haben, um den Ruf der polnischen Nationalikone nicht zu beschädigen. Das empört sogar Guardian-Journalisten .

Wie alles anfing

Wir erinnern uns: SRF-Musikredaktor Moritz Weber nahm den Lockdown im Frühling zum Anlass, um eine 1200-seitige Chopin-Briefsammlung aus den 1950er-Jahren zu studieren.

Schon bald stutzt er: Reihenweise explizite Liebeserklärungen von Chopin an Woyciechowski, Matuszyński oder Fontana – alles Männer.

«Ich gehe mich waschen, küsse mich jetzt nicht, denn ich habe mich noch nicht gewaschen — Du? Auch wenn ich mich mit byzantinischen Ölen einreiben würde, würdest du mich nicht küssen, wenn ich dich nicht auf magnetische Art dazu zwingen würde. Es gibt irgendeine Kraft in der Natur. Heute wirst du träumen, dass du mich küsst.» (4.9.1830)

Zur bisherigen These, dass Chopin Romanzen mit Frauen hatte, führten grobe Übersetzungsfehler und unbelegte Fussnoten, so Moritz Weber.

Eine Verschwörung?

Die Guardian-Journalisten hakten bei einem Übersetzer an der Yale-Universität nach. Dieser sagt, es sei möglich, dass Chopin sich in seinen Briefen auf seinen männlichen Freund Woyciechowski bezog.

«Aber zu sagen, dass es eine Art Verschwörung hinter den ‹fehlenden› Buchstaben und Pronomen in den Ausgaben gibt, ist absurd», sagt der amerikanische Übersetzer David Frick.

Auf Chopins englischer Wikipedia-Seite ist ein regelrechter «Edit War» entbrannt. Will heissen: Editoren überschreiben und bearbeiten in rasanter Ping-Pong-Manier ihre Einträge zu Chopins Privatleben.

Die Grenzen der Sprache

Während manche englischsprachige Kommentatoren Chopins Homosexualität zwischen den Zeilen mit «so what» abtun, sorgen die SRF-Aufdeckungen in Polen für Furore, schreibt The Voice of Indonesia .

So titelte etwa das polnische Nachrichtenmagazin Polityka : «Chopin gibt einem Freund einen Kuss. Bedeutet das, dass er schwul war?». Fryderyk Franciszek Chopin, gehüllt in eine Regenbogenfarben-Flagge? Wohl kaum, wenn es nach dem Fryderyk-Chopin-Institut geht.

Es sei schwierig, Theorien über Chopins Liebesleben aufzustellen, da er mit fast niemandem darüber geredet habe, meinte ein Sprecher zu SRF. «Die Art und Weise, wie Chopin die Sprache benutzt, ist so musikalisch und kompliziert. Es ist Wahnsinn, all das zu übersetzen!».

Hass und Hetze

Die relativierenden Töne des konservativen Chopin-Institut zeigen: Chopins wahrscheinliche Homosexualität ist in weiten Teilen Polens nicht willkommen. In einem Land, dessen Präsident Andrzej Duda die LGBTQ-Bewegung als eine «Ideologie, die schlimmer ist als der Kommunismus» anprangert. Darüber herrscht Einigkeit bei den Journalistinnen und Journalisten.

Gegen diesen Hass und diese Hetze kämpfen polnische LGBTQ-Aktivisten, wie etwa Bart Staszewski.

Er feiert die SRF-Recherchen auf Twitter und schreibt: «Ja, Chopin war zumindest bisexuell».

Sendung: SRF 2 Kultur, Passage, 13.11.2020, 20:00 Uhr

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