Er lässt den Joker erst böse klingen: Für «The Dark Knight» wählte Martin Tillman einen subtil-kratzigen Cello-Sound, der einem die Haare zu Berge stehen lässt, passend zum psychopathischen Bösewicht. Auch den Piraten Jack Sparrow aus «Pirates of the Caribbean» brachte er mit seinem Cello erst richtig ins Torkeln.
Die Musik betone das leicht Pompöse dieses narzisstischen, aber witzigen Charakters, sagt Tillman: «Mit dem Tontechniker habe ich ein paar Sessions gemacht, in denen ich ein Shotglas Rum getrunken habe – um ein bisschen in Stimmung zu kommen.»
Berufswunsch Rockstar
Martin Tillman wächst in Zürich in einer musikalischen Familie auf. Mit drei lernt er Klavier spielen, mit sieben wechselt er zum Cello: «Das war ein fürchterliches Üben. Meine Mutter musste mich dazu zwingen. Mein Traumberuf mit 13 war Rockmusiker: laute Musik, lange Haare, lots of girls!»
Weil kaum eine Rockband einen Cellisten sucht, macht Tillman eine Ausbildung zum klassischen Musiker und studiert Cello, zunächst in Zürich. Mit 20 Jahren erhält er ein Angebot vom Berner Symphonieorchester – und lehnt ab. Eine Karriere als klassischer Orchestermusiker interessiert ihn nicht.
Mit Sting auf Du und Du
1988 wandert er in die USA aus, wo er seinen Master abschliesst. Tillman jobbt in einem Aufnahmestudio an der Rezeption, serviert Kaffee und liefert Kuchen an Stars wie Barbara Streisand oder die Backstreet Boys aus.
Als er sein Instrument elektrifiziert, eröffnen sich ihm plötzlich neue Welten: Zwei Jahre später tritt er zum ersten Mal mit der Band Chicago auf. Später steht er mit Elton John, BB King, Sting und anderen prominenten Musikern auf der Bühne.
Mit 28 entdeckt der Komponist das Elektro-Cello. Es glitzert schwarz und ist mit bunten Flammen verziert. «Das ist mein Rockinstrument», erklärt er. «Ein herrlicher Mix aus E-Gitarre und Harley-Davidson!» Damit könne er alles umsetzen, was er im Kopf habe.
Hollywoods Geheimwaffe
Gekonnt verfremdet er den typischen Cellosound. Er lässt das Instrument quietschen und dröhnen, die Rhythmen und musikalischen Elemente überlagern sich.
Einmal klingt es, als starte er einen Jet, mal nach einem Delfin. Kein Wunder, hat Hans Zimmer sein Elektro-Cello einst als «Geheimwaffe Hollywoods» bezeichnet.
Mitte der 1990er-Jahre habe er eines Tages plötzlich eine Nachricht von Hans Zimmer auf seinem Anrufbeantworter gehabt. Drei Wochen später treffen sie sich in dessen Studio. «Ich habe schon am zweiten Tag gespürt, dass das meine Welt ist.» Hans Zimmer gebe einem sehr viel Freiraum.
Übermenschliches Andenken
Nach 30 Jahren in den USA lebt Tillman heute wieder in der Schweiz. Er übernimmt zwar noch Aufträge aus Hollywood, schreibt aber vornehmlich Soundtracks auf Vorrat für die «Library». Der Komponist verfolgt jedoch auch eigene Projekte.
Gerade bringt er sein Live-Programm «Superhuman» in Zürich auf die Bühne. Es enthält Songs, die er ursprünglich für seine Frau Eva geschrieben hat, die an Multipler Sklerose erkrankt war und 2019 verstorben ist. Der Titel des Albums «Superhuman» – «übermenschlich» – sei teilweise von ihr inspiriert, so Tillman.
Mit diesem Projekt schliesst sich der Kreis. Denn es vereint alle musikalischen Bereiche, die ihn begeistern: Rock’n’Roll, Electronic Dance Music, Filmmusik und Klassik. Er wolle Musik in ihrer Vielfalt erlebbar machen, sagt Tillman dazu.