Hektik macht sich breit in der Welt: Die Kommunikationsmedien sind ausser Kontrolle geraten, die Menschlichkeit ist verkümmert, die Apokalypse naht.
In einer schrillen Talkshow – wo sonst in einer solchen Gesellschaft – mit einem noch schrilleren Moderator wird nun beraten und abgestimmt, wie die Menschen dem Untergang entkommen können.
Noch bevor das Abstimmungsresultat vorliegt, ertönt der «Last Call»: der letzte Aufruf zur Evakuierung des Planeten; zur Flucht per Raumschiff zum Planeten Elpisonia. Zwei Menschen bleiben allerdings auf der Erde zurück.
Düstere Dystopie
Der Rapperswiler Komponist Michael Pelzel gehört zu den erfolgreichsten seiner Generation. Er hat sich längst international einen Namen gemacht.
Er und der Luzerner Librettist Dominik Riedo greifen mit der Kammeroper «Last Call» am Opernhaus Zürich Themen unser medial durchwachsenen Gesellschaft auf – und steigern sie zu einer düsteren Dystopie. Ähnlich wie der Komponist Daniel Mouthon mit seiner Oper «Liquid Crystal Display» aus dem Jahr 2015.
Die Musik funkelt und schillert
Mit der Effektsicherheit eines Maurice Ravel kleidet Pelzel sein erstes Musiktheater – und damit auch sein bisher längstes Werk – in schillernde Klänge. Er verwendet dafür ein Kammerensemble mit Streichern, zwei Klavieren, Celesta und reichem Schlagwerk.
Chromatische und mikrotonale Tonleitern prägen das Werk, rätselhafte Akkordschläge scheinen das Ende der Welt einzuläuten, und die Klänge einer Glasharmonika sorgen für den passenden Weltraum-Touch.
Pelzel zeigt sich einmal mehr als Meister der Instrumentierung, seine Musik schimmert und funkelt. Er hat hier ein wirbliges Capriccio geschaffen – ruhige, lyrische oder tiefschürfende Partien kommen allerdings etwas zu kurz.
Vom Guru bis zur Influencerin
Ein illustre Gesellschaft tummelt sich in diesem Endzeit-Szenario: Etwa ein okkulter Ur-Guru (Ruben Dorle), ein exaltierter Moderator (Thomas Erlank), eine zwitschernde Influencerin (Alina Adamski) und die beiden verunsicherten letzten Menschen auf der Erde (Christina Daletska und Annette Schönmüller).
Unverkennbar hat hier auch György Ligetis Endzeitoper «Le Grand Macabre» Pate gestanden. Alle Sängerinnen und Sänger kosten ihre pointierten Charaktere denn auch lustvoll aus.
Ein Vorgeschmack auf Grösseres
Mit Jonathan Stockhammer leitet ein ausgewiesener Experte für Neue Musik diese Uraufführung. Er versteht es, Pelzels Klangfarbenzauber aufs Trefflichste zu servieren. Die Inszenierung von Chris Kondek bebildert die Handlung im kleinen Rahmen der Studiobühne eindeutig.
Nach rund 80 Minuten bleibt das Ende dieser Geschichte allerdings offen. Und Michael Pelzel hat sich mit seinem kulinarischen Opern-Erstling durchaus für ein grösser angelegtes Werk empfohlen – für eine gross besetzte und abendfüllende Oper.