Neben seiner eigenen Band Polar Bear spielt der talentierte Schlagzeuger auch im Quartett Sons of Kemet sowie im Trio Libero mit Andy Shepphard und Michel Benita. Seine Virtuosität ist äusserst gefragt: Er hat an unzähligen musikalischen Vorhaben mitgewirkt: wie etwa an einer Konzerttour mit Patti Smith und an Alben von Rokia Traorés, Pete Dohertys Band Babyshambles oder von David Byrne und Brian Eno. Im Verlauf seiner Karriere hat er mehrere Preise gewonnen, unter anderem den BBC Jazz Award für Newcomer und wurde zweimal für den Mercury-Musikpreis nominiert.
Durch alle Genres
«Seit ich mich erinnern kann, bin ich von Musik fasziniert», erzählt Seb Rochford – ein sehr angenehmer, ausgeglichener Gesprächspartner. Er fährt sich durch den Lockenwuschelkopf und spricht leise: «Ich bin das zweitjüngste Kind und hatte sieben Schwestern und zwei Brüdern. Sie lieben alle Musik: vom psychedelischen Rock über Goth- bis zu Punk-Klängen.» Seine Eltern hören Jazz, Bach und Stevie Wonder.
Jeder in seiner Familie spielt ein Instrument, sein grosser Bruder beispielsweise Schlagzeug. «Als ich ihn damit zum ersten Mal gesehen hab», sagt Seb Rochford mit einem Funkeln in den Augen, «bin ich noch nicht einmal zur Schule gegangen. Ich war von diesem Instrument derart besessen, dass ich mit Essstäbchen auf dessen gebrauchten Fellen spielte.»
Ein lila Schlagzeug
Mit zehn bekommt er endlich ein eigenes, lila glänzendes Secondhand-Schlagzeug. Doch er kann es nur mit einem bestimmten Felltyp spielen, weil es so alt ist. Er verändert dieses alte Schlagzeug, verbessert es, kratzt die lila Farbe ab, verkauft es mit Gewinn und bekommt ein neues.
Der umtriebige Schlagzeuger ist 1973 im schottischen Aberdeen geboren und hat in Newcastle Schlagzeug und Komposition studiert. Dort sieht er eines Tages den Schlagzeuger Martin France, den Tenorsaxophonisten Julian Argüelles und den Jazz-Gitarristen Mike Walker. «Das gab mir einen Kick, ich war fassungslos», erinnert sich Rochford an die Begegnung, die ihn vor Ehrfurcht erstarren liess: «Mike Walker ist auf mich zugekommen, ich war in der Mitte des Konzertsaals und konnte nur Zeichen mit meiner Hand geben. Ich musste nach London, um neue Inspirationen zu finden.»
Freejazz und Elektronik brodeln
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In London gründet 2004 die Band Polar Bear. Neben Rochford sind der Kontrabassist Tom Herbert sowie die beiden Tenorsaxofonisten Pete Wareham und Mark Lockheart mit dabei. Die Band beginnt zunächst akustisch als Quartett, etwas später kommt der Klangbastler John Burton hinzu, in der Elektronikszene unter dem Namen Leafcutter John bekannt. Seitdem brodeln in dieser Musik die aktuellen Sounds des Pop-Elektronik-Undergrounds genauso wie Freejazz.
Das aktuelle Album «In Each And Everyone» sei ein sehr persönliches Werk, erklärt Seb Rochford. Es reflektiere die Erfahrungen der letzten zwei Jahre, fügt er hinzu. Eine bewegte Zeit mit vielen Höhen und Tiefen, die er in seiner Musik verarbeitet. Darin unterscheidet sich dieses Album von den vorherigen. Ausserdem hat Seb Rochford zum ersten Mal alles selbst in die Hand genommen: die Produktion und die Mischung.
Einflüsse aus der indischen Heimat der Mutter
Seb Rochfords Mutter hat indische Wurzeln und der Perkussionist aus Schottland hat sich eingehend mit indischer Musik beschäftigt. Spuren davon sind in vielen seiner Kompositionen präsent wie auch im ersten Stück auf «In Each And Everyone», «Open Sea» – ein ruhiges an die klassische indische Musik angelehntes Intro.
Für Seb Rochford verschwimmen die Grenzen zwischen Jazz und anderen Musikgenres immer mehr. Seine Kompositionen bestehen aus Melodien mit oft überraschenden Wendungen, aufgelockert strukturiert mit Freiräumen für die Elektronik. Die Dynamik der Stücke reicht von ruhig-verträumt bis unbändig-brachial. Seb Rochford ist stets auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Er will sich unentwegt neu definieren und weiterentwickeln. «In Each And Everyone» ist das fünfte Album, sagt er, und das bisher experimentellste.