Zum Inhalt springen

Song «Prayer of the Mothers» So baut Yael Deckelbaum mit Musik eine Friedensbrücke

Die israelische Sängerin und Friedensaktivistin Yael Deckelbaum hat 2016 ein Lied für den Friedensmarsch israelischer und palästinensischer Frauen geschrieben. Seither verbreitet es sich auf der ganzen Welt. Warum wirkt es so stark?

Es ist Anfang September, ein warmer Sommertag, das Festival «Music for Life Openair» geht im Kanton Zürich zu Ende. Den Abschluss macht Yael Deckelbaum, eine Musikerin aus Israel. Thema vieler ihrer Lieder ist die Rolle der Frauen in Friedensprozessen.

Im Interview nach dem Konzert erzählt Deckelbaum, wie sie 2016 in Kontakt mit der israelischen Bewegung «Women Wage Peace» kam, also «Frauen streben nach Frieden».

Von anderen Frauen inspiriert

«Fast jede Frau hat Kinder, hat Söhne im Krieg verloren», so Deckelbaum. Die Geschichten und das Engagement der Frauen hätten sie sehr bewegt.

Dann habe sie eine Videobotschaft gesehen, welche die liberianische Friedensnobelpreisträgerin Leymah Gbowee an «Women Wage Peace» geschickt hatte. Darin ermutigt Gbowee die Bewegung, weiter am Frieden zu arbeiten. «Ich musste weinen und ich wusste: hiervon will ich Teil sein», erzählt die Sängerin. Schnell sei ihr klar gewesen: «Das ist eine neue Bewegung, die neue Musik braucht.»

Vom Lied zur Hymne

Das Lied «Prayer of the Mothers» sei aus den vielen Begegnungen mit Frauen entstanden, israelischen ebenso wie palästinensischen. Es ist auf Hebräisch, Arabisch und Englisch geschrieben und verdichtet die Sehnsucht nach Frieden.

Beim Friedensmarsch 2016 pilgerten tausende von Frauen für den Frieden nach Jerusalem – «und dieses Lied wurde die Hymne dieses Marsches», erzählt Deckelbaum. Eindrücke davon sind im Musikvideo zu sehen.

Das Video ging um die Welt. Menschen wurden inspiriert, Friedensmärsche in ihren Ländern zu organisieren. Vielerorts wurde dabei dieses Lied gesungen.

«Vom Norden bis zum Süden, vom Westen bis zum Osten. Höre das Gebet der Mütter: Bring ihnen Frieden, bring ihnen Frieden», heisst es im Refrain.

Musikgruppe singt auf beleuchteter Bühne im Freien.
Legende: Yael Deckelbaum (links im Bild) mit dem Zürcher Chor «Clappapella» und Meera Eilabouni (rechts im Bild), Friedensaktivistin und Teil der palästinensischen Organisation «Women of the Sun». Beide Frauen wurden dieses Jahr für ihr Engagement mit dem Günter-Wallraff-Preis für Menschenrechte ausgezeichnet. mysticalpics

Das Lied berührt, geht unter die Haut. Auch Sängerinnen des Zürcher Ensembles «Clappapella», die beim Schweizer Festival mit Yael Deckelbaum auf der Bühne stehen. Ein Chormitglied erzählt etwa, wie sie mitten in den Schweizer Bergen die Wanderschilder in alle Richtungen sah und an Yaels Lied und das Gebet um Frieden denken musste.

Von der Realität überrumpelt

Das Lied habe seine ganz eigene Frequenz, sagt Yael Deckelbaum. Es habe das Potential, Menschen miteinander zu verbinden – egal, woher sie kommen oder welcher Religion sie angehören: «Es hat die Qualität eines Gebets.»

Doch Yael Deckelbaum ist keineswegs naiv; sie sei vielmehr ratlos und oft verzweifelt. Ihre Botschaft und ihr Friedens-Aktivismus würden durch die brutale Situation in ihrem Heimatland Israel und den angrenzenden Ländern zunichtegemacht.

Sie ziehe sich viel zurück, sie habe mehr Fragen als Antworten und stehe derzeit selten auf der Bühne. Es sei nicht die Zeit, um absolute Aussagen zu treffen, sagt sie nachdenklich.

Aber dennoch, fügt sie hinzu, sei nicht nur der Krieg real, sondern auch diese Erfahrung: Dass Menschen zusammenkommen, gemeinsam singen und den Frieden ersehnen.

Auf dem Festival wird das Lied wie ein Mantra immer weiter gesungen. Fast alle Menschen stehen nach und nach auf. Viele heben die Hände. Die Stimmen schwellen an: «Bring them peace. Bring them peace.»

Radio SRF 2 Kultur, Künste im Gespräch, 3.10.24, 9:03 Uhr

Meistgelesene Artikel