Das «Lucerne Festival» hat zwei Konzerte in diesem Sommer abgesagt. Grund dafür: der russische Dirigent, der sie geleitet hätte. Valery Gergiev ist einerseits ein Superstar der Szene. Andererseits er trat er wiederholt als vehementer Befürworter von Wladimir Putins aggressiver Politik in Erscheinung.
Gergiev machte sich 2012 in einem Werbeclip für Putins Wiederwahl stark. Er unterstützte er dessen Gesetze zur Diskriminierung von Homosexuellen, sprach sich für die Annexion der Krim aus und dirigierte während des syrischen Bürgerkriegs vor der syrischen und der russischen Armee.
Konzerte in Luzern abgesagt
Obwohl es immer wieder zu Protesten gegen Gergievs Auftritte kam, hatten seine politischen Ansichten bis jetzt wenige Konsequenzen für seine Karriere. Der heute 68-Jährige blieb ein gern gesehener Gast in verschiedenen renommierten Konzerthäusern – und trat seit 1999 auch regelmässig in Luzern auf.
Zuletzt dirigierte er 2021 im KKL. Seine nächsten Konzerte wären für den 21. und 22. August dieses Jahrs geplant gewesen: Der Dirigent wäre mit dem von ihm geleiteten Mariinsky-Orchester aus St. Petersburg aufgetreten. Daraus wird nun nichts. «Wir haben Valery Gergiev per Mail informiert, dass die Konzerte abgesagt sind», sagt Michael Haefliger, Intendant des «Lucerne Festival» gegenüber SRF. Eine Antwort hätten sie noch nicht erhalten.
Ultimatum aus München und Mailand
Mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine ist die Stimmung gegenüber dem Dirigenten gekippt. Am Sonntag hat sein Manager Marcus Felsner verkündet, Gergiev nicht mehr zu vertreten. Er sei zwar ein aussergewöhnlicher Mensch und der grösste lebende Dirigent, doch er weigere sich, seine Unterstützung für Putins Regime zu beenden. Oder er könne dies schlicht und einfach nicht.
Weiter hat Gergiev aus München und aus Mailand ein Ultimatum erhalten. Falls er sich bis am Montag nicht öffentlich gegen Putins Politik stelle, würde man die Zusammenarbeit beenden. In München ist er Chefdirigent der Philharmoniker, in Mailand war ein Konzert für den 5. März geplant gewesen.
«Abgründe der Menschheit»
In Luzern ist der Entscheid für die Absage der Konzerte heute Montag gefallen. Michael Haefliger meint, dass ihnen klar gewesen sei, diese Konzerte absagen zu müssen. «Das soll eine deutliche Aussage gegen den bösen Krieg in der Ukraine sein», so der Intendant. Der Entscheid sei ihnen jedoch nicht leichtgefallen. «Es war eine starke künstlerische Partnerschaft vorhanden.»
Michael Haefliger selbst hat auch sonst eine enge Verbindung nach Russland. Eine «emotionale Bindung» zur Kultur, wie er selbst sagt. Vor 35 Jahren lernte er Wladimir Putin gar höchstpersönlich kennen – am World Economics Forum in Davos.
Vor 16 Jahren bezeichnete er diesen gegenüber der Handelszeitung als spannende und kunstbegeisterte Persönlichkeit. Von diesem Sentiment ist nichts mehr übrig. «Was gerade passiert, bringt uns an die Abgründe der Menschheit.»