«Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum», schreibt Friedrich Nietzsche in der «Götzen-Dämmerung». In jungen Jahren war es insbesondere die Musik Richard Wagners, die Nietzsche am Leben hielt. Zu Wagners 60. Geburtstag schreibt ihm der 28jährige Nietzsche, «es lohnte sich wahrlich nicht zu leben» ohne ihn und seine Musik: «Ich wüsste gar nicht, was ich mit der nächsten Stunde beginnen sollte». Ein Liebesgeständnis?
Dionysos und Apollon
Nietzsche hörte in den Musikdramen Wagners sein ästhetisches Ideal erklingen: die Einheit von Apollon und Dionysos. Der griechische Gott Apollon steht dabei für Vernunft, Licht und Ordnung, während Dionysos den Trieb, das Dunkle und die Ekstase symbolisiert. Grosse Kunst, wie Wagners Musik, vereint nach Nietzsche diese beiden gegensätzlichen Prinzipien.
Das Leben als Kunstwerk
Für den Atheisten und Amoralisten Nietzsche war klar: «Nur als ästhetisches Phänomen ist das Dasein und die Welt ewig gerechtfertigt». Die Menschen sollten lernen, das Leben wie ein musikalisches Kunstwerk zu sehen – mit ästhetischem Wohlgefallen am ewigen Wechselspiel von Spannung und Auflösung. Jeder müsse sein Leben so leben, dass er am Ende «Da capo!» rufen und noch einmal von vorne anfangen möchte. Angenommen, unser Leben würde sich auf ewig immer wiederholen. Wie fänden wir das? Wenn uns dieser Gedanke stört, dann sollten wir schnell unser Leben ändern. So die Empfehlung Nietzsches.
Schopenhauer als Vorbild
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Der junge Nietzsche war, ebenso wie Wagner, begeistert von der Philosophie Arthur Schopenhauers. Das ist wenig überraschend, denn für Schopenhauer war die Musik die höchste aller Künste, da sie das metaphysische Prinzip, den weltlenkenden Willen zum Ausdruck bringt: «Der Komponist offenbart das innerste Wesen der Welt und spricht die tiefste Weisheit aus, in einer Sprache, die seine Vernunft nicht versteht», so Schopenhauer in seinem Hauptwerk «Die Welt als Wille und Vorstellung».
Gefährliche Musik
Später wendet sich Nietzsche von der Metaphysik, von Schopenhauer und auch von Wagner ab. Zu schwermütig und zu christlich ist ihm das Ganze. Wagner habe «die Musik krank gemacht», heisst es nun. Treffender wäre wohl: Wagners Musik hat Nietzsche krank gemacht. Musik ist suggestiv, manchmal subversiv. Sie dringt tief ins Innere des Menschen und prägt seinen Charakter. Deswegen verbot Platon in seinem Entwurf eines idealen Staats gewisse Tonarten und Instrumente! Musik kann aber auch zum Guten erziehen und wohltuend sein.
So wie die Musik von Georges Bizet für Nietzsche, der sich dessen Oper «Carmen» unzählige Male anhört, um ihre Leichtigkeit und Lebenslust aufzusaugen. Aus dem neuen Lebensgefühl heraus schreibt er: «Hat man bemerkt, dass die Musik den Geist frei macht? Dass man um so mehr Philosoph wird, je mehr man Musiker wird?». Liest man das, so erstaunt es nicht zu erfahren, dass Nietzsche auch komponiert hat. Als Komponist wäre er allerdings nicht in die Geschichte eingegangen. Darin sind sich die Musikkritiker einig. Was nachhallt, ist seine Philosophie.
Nietzsche relaoded
Kaum ein Philosoph war seiner Zeit so voraus wie Nietzsche. Er selbst ahnte das: «Erst das Übermorgen gehört mir. Einige werden posthum geboren», schreibt er im Vorwort zu «Der Antichrist». Tatsächlich hat Nietzsche viele philosophische Strömungen des 20. Jahrhunderts vorweggenommen: Religions- und Metaphysikkritik, Erkenntnisskepsis, Naturalismus und Dekonstruktion, um nur einige Stichworte zu nennen. Auch deswegen fasziniert Nietzsche bis heute, obwohl viele seine Ideen nur in Ansätzen kennen.