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Niederländische Klangwunder
Aus Kontext vom 08.12.2020. Bild: imago images / Martin Müller
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Weltberühmte Orgel Diese Wunder-Orgel ist von Fledermäusen bedroht

Der Klang der niederländischen Müller-Orgel ist unvergleichlich. Aber: Ein kleines Tier macht ihr zu schaffen.

Eine Orgel bauen, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt. Diesen nicht gerade einfachen Auftrag fasste Instrumentenbauer Christian Müller 1735 von der Stadt Haarlem.

Nach nur gerade drei Jahren ist ihm das geglückt: in klanglicher und räumlicher Hinsicht. Mit einer Höhe von fast 30 Metern ist das kolossale Orgelgehäuse bis heute eines der grössten in Europa. Müller baute sein Instrument im norddeutschen Stil mit Hauptwerk, Rückteil und an beiden Seiten ein Pedalturm mit langen Pfeifen.

Die Tasten einer Orgel
Legende: Am Spieltisch der Orgel ist das Logo von Christian Müller auffällig platziert. Elsbeth Gugger

Händel spielte auf der Müller-Orgel

Typisch für die Haarlemer Müller-Orgel sind auch die reichen barocken Verzierungen mit Engeln, Löwen und sehr viel Gold. Aber die mahagonirote Farbe des Kiefernholz-Gehäuses entspricht nicht dem Original.

Die sei erst nach einer Restaurierung 1984 angebracht worden, erzählt Organist Anton Pauw: «Der ursprüngliche Ton war ein fahles Rot, fast Aubergine.»

ein Mann steht vor einer imposanten Orgel
Legende: Anton Pauw ist erst der 13. Organist, der auf der Müller-Orgel spielt. Elsbeth Gugger

Das Kirchen-Instrument wurde in den umringenden Ländern schnell berühmt. Zahlreiche Neugierige reisten nach Haarlem, um dieses «Weltwunder» mit eigenen Augen zu sehen. Oder selber in die Tasten zu greifen, wie der deutsche Komponist Georg Friedrich Händel, der der Müller-Orgel zweimal seine Aufwartung machte.

Der kleine Wolfgang Amadeus

Auch das Wunderkind Wolfgang Amadeus Mozart soll die Sint Bavo-Kirche besucht und auf der Müller-Orgel gespielt haben. So steht es jedenfalls in jedem Touristenführer.

Aber es ist seltsam, dass diese Begebenheit einzig in einem Brief des Vaters an den Bischof von Salzburg erwähnt wird. Die Haarlemer Lokalzeitung, die ausführlich über Händels Besuche berichtete, verlor kein Wort über den damals schon berühmten kleinen Mozart.

Nur 13 Organisten in fast 300 Jahren

Organist Anton Pauw, der die Geschichte recherchierte, sagte vor ein paar Jahren in einer niederländischen TV-Sendung, er glaube nicht, dass Mozart auf der Müller-Orgel gespielt habe. «Es gibt Leute, die nehmen mir das bis heute übel», so Pauw.

Historische Orgeln locken ausländische Gäste an

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Die Niederlande sind berühmt für ihre vielen, sehr gut erhaltenen Kirchenorgeln aus dem 17. und 18. Jahrhundert. In jener Zeit liessen sich viele bedeutende Orgelbauern im reichen Amsterdam oder einer umliegenden Stadt nieder.

Ihre Instrumente sorgten für grosse Aufmerksamkeit. Interessierte, auch aus dem Ausland reisten an, um die Klangwunder zu begutachten und zu hören. Orgelkonzert sind bis heute gut besucht. Vielerorts, auch in Haarlem, gibt es im Sommer jeweils einen ganzen Orgelzyklus.

Mit oder ohne Mozart: Die Anziehungskraft der Müller-Orgel ist geblieben: «Für viele Menschen ist es bis heute die ikonischste Orgel der Niederlande», sagt Anton Pauw, der dieses kostbare Instrument seit 30 Jahren bespielt.

Der 59-Jährige gehört damit zu einer sehr erlesenen Gesellschaft: Er ist erst der 13. Organist seit Inbetriebnahme der Orgel 1738. «Wenn du einmal Organist bist, gehst du nicht mehr weg, sondern wartest, bist du pensioniert wirst oder stirbst», erklärt Pauw.

Fledermäuse in der Kirche

Auch der heutige Organist bezieht – wie alle seine Vorgänger auch – sein Gehalt von der Stadt. Sie ist nach wie vor die Besitzerin des edlen Kircheninstrumentes und muss deshalb eingreifen, wenn dieses bedroht wird.

Das wird es: von Fledermäusen. Auf der Suche nach einem Winterquartier führt die Route dieser Tiere seit ein paar Jahren aus unerklärlichen Gründen mitten durch die Sint Bavo-Kirche.

Ein paar hundert Fledermäuse verlieren dabei die Orientierung. Ihre Kadaver landen auf dem Kirchenboden. Allerdings, erzählt Anton Pauw angewidert, hätten sie zuvor mit ihrem Kot und Urin alles verschmiert.

eine Steinbalustrade mit schwarzen Flecken
Legende: Die goldenen Elemente der Orgel werden vom schwarzen Fledermauskot auf der Balustrade überschattet. Elsbeth Gugger

Er zeigt auf die Balustrade, wo tausende schwarze Fledermaus-Kotkegel liegen und auf die langen Frontpfeifen. Dort ist sichtbar, dass die Schutzfolie durch den Ammoniak im Fledermaus-Urin angeätzt wurden.

Tierschutz versus Denkmalschutz

Die Tiere stehen unter Schutz – wie die Orgel auch. Aber die fast 300-jährige denkmalgeschützte Müller-Orgel ist chancenlos gegen die Fledermäuse, deren Anflugroute nicht behindert werden darf.

Mithilfe von speziellen Kästen sollen die Tiere nun ins andere Ende der Kirche gelotst werden. Und das Stadtparlament hat soeben 400'000 Euro bewilligt, um die Müller-Orgel reinigen zu lassen.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 9.12.2020, 09:03 Uhr

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