Er jagt die Tiere des Waldes und gelegentlich schiesst er einem vorbeikommenden Ritter seine Pfeile hinterher. Parsifal ist «der reine Tor», er weiss buchstäblich nichts von der Welt: Nichts vom Gral, der für die Gralsritter eine Mischung von Tischleindeckdich und Jungbrunnen ist. Nichts vom heidnischen Zauberer Klingsor, der den Gralskönig Amfortas mit einem Speer an den Hoden verletzte. Nichts von Kundry, der zwielichtigen Schönheit, die bald dem Zauberer als erotischer Lockvogel und bald den Gralsrittern als Kräuterfrau dient. Und gar nichts weiss Parsifal anscheinend von Sex.
Parsifal wird wissend
All das wird er kennen lernen. Letzteres in Klingsors Schloss und in Kundrys Armen. Sie soll Parsifal verführen. Der Zauberer selbst wartet natürlich schon wieder mit dem Speer. Doch in Kundrys Armen erkennt Parsifal, was in dieser Welt alles zusammenhängt: Sex und Wunde, Lebenstrieb und Lebensschuld. Das ist alles eins, und es gibt nur ein erlösendes Mittel: Die Entsagung. Noch rechtzeitig stösst er Kundry zurück, bevor der Zauberer auch ihn mit dem Speer an den Hoden erwischt.
Nach vielen Jahren gelangt Parsifal zum zweiten Mal zur Burg der Gralsritter. Dort wird er freudig als Erlöser begrüsst: Der reine Tor ist durch Mitleid wissend geworden. Parsifal stösst Amfortas die Speerspitze – kein wirklich angenehmer Gedanke – in die Wunde, und dieser ist geheilt. Der Speer ist nämlich jene heilige Lanze, die die Brust Jesu am Kreuz durchbohrte. Dann tauft Parsifal Kundry, die Schönheit. Sie ist nämlich eine Jüdin, die Jesu am Kreuz verlachte – und sie stirbt. Parsifal wird neuer König der Gralsritter.
Grandios und dubios
Sex muss er irgendwann auch mal gehabt haben, denn später hat er einen Sohn namens Lohengrin – aber das ist eine andere Oper. Ein deftiges Gemisch, dieser Parsifal, aus Wagners erotischen Obsessionen und Phobien, aus christlicher und buddhistischer Heilslehre, aus privaten Erlöser- und politischen Führer-Phantasien, und aus einer krassen Portion Antisemitismus. Grandios und dubios zugleich.