Wenn sich am Ende alles dreht im Kopf, ist klar: Das ist eine neue, vielversprechende Art, digitale Kunst zu zeigen. Die Biennale der digitalen Kunst «The Wrong» findet zum zweiten Mal statt. Gegenüber dem Vorjahr zählt sie bereits dreimal so viele Beteiligte: 90 Kuratorinnen präsentieren dieses Jahr die Werke von 1100 Künstlern – meist online, aber auch in Ausstellungen über den ganzen Globus verteilt.
Unpassende Kunst
«The Wrong» hat einen einzigen Erfinder, Gründervater und Leiter: David Quiles Guilló. Er wurde 1973 in Alicante geboren und ist heute auf der ganzen Welt als Kurator, Musiker, Autor und Designer unterwegs.
Der Spanier mit Lockenkopf und Rauschebart erklärt, warum er seine Biennale «The Wrong» nannte: «Lange funktionierten Ausstellungen so: 20 Künstler stellten ihr Bild oder ihre Skulptur aus und dann gab es noch den einen Künstler mit seiner virtuellen 3D-Installation. Damit war für den Kurator die digitale Kunst abgehakt. Die Themen aber wurden nicht verstanden oder schlicht ignoriert. Angeblich hatten die Kunstwerke das falsche Format und waren schlecht verkaufbar. Digitale Kunst wurde als etwas Unpassendes oder Falsches wahrgenommen – darum der etwas sarkastische Name der Biennale ‹The Wrong›.»
Mut zur Menge und zum Chaos
Vorbilder für sein Projekt hatte David Quiles Guilló keine. Eine virtuelle Ausstellung, die sich in dieser Grösse digitaler Gegenwartskunst widmet, hat es bisher auch nicht gegeben. So konnte Quiles auf einem neuen Terrain einen Ort schaffen, der (noch?) nicht den Chic und die Professionalität einer herkömmlichen Biennale hat. Dafür viel Mut zur Menge und zum Chaos.
Das ist erfrischend. Und etwas Ordnung in den Hunderten von Kunstwerken gibt es dennoch: Die Werke sind in 50 thematischen Pavillons untergebracht. Dabei stösst man auf poetische und politische Kunst, etwa im Pavillon «Call.io.pe», kuratiert von der iranischen Künstlerin Moreshin Allahyari. Es gibt aber auch Pavillons, die mit einem Augenzwinkern gemacht sind, etwa die «Not Found Exhibition» – mit zahlreichen Links zu Online-Kunst, die nicht mehr funktionieren.
Überfordert – wie es sich gehört
Das «Homeostasis Lab» unterscheidet sich von allen anderen Pavillons: Hier können sich die Künstler präsentieren, die zu keinem anderen Pavillon eingeladen wurden – eine demokratisierende Haltung, die nicht selbstverständlich ist für eine Kunstbiennale. Wer genug lange im «Homeostasis Lab» verweilt, kann auch dort das eine oder andere Fundstück aufspüren.
«The Wrong» bietet keine Suchfunktion an. Zum Stöbern und Von-einem-Link-zum-anderen-Klicken braucht es darum Zeit und Geduld. Als Belohnung gibt es im Gegenzug zahlreiche Neuentdeckungen. Und diese leichte Überforderung an der schieren Masse gehört auch bei den herkömmlichen Biennalen einfach dazu.
Nicht allzu streng ist nicht falsch
Zum Glück sind sehr viele Werke aber eben nicht in «real life» zu sehen, sondern an dem Ort, wo sie am authentischsten sind: im Internet. Das Netz wird in zahlreichen Werken auch thematisiert, analysiert und kritisch betrachtet. Zum Internet passt zudem das Chaotische und nicht allzu streng Kuratierte der Biennale sehr gut.
Angesprochen auf die Zukunft, äussert David Quiles Guilló die Hoffnung, dass die digitale Kunst durch seine Biennale mehr Anerkennung bekomme und auch vom traditionellen Kunstmarkt anerkannt würde. Vielleicht könne er die Ausstellung künftig «The Right» nennen.