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Netzwelt Der harte Job der Internet-Putzkräfte

Unser Netzthema des Tages: Wohin mit Porno, Rassismus und Gewalt in den Sozialen Medien? Sie werden gelöscht. Aber es sind nicht immer Algorithmen, die diese Arbeit machen. Es sind Menschen. Ein Künstlerduo hat sich in ihrer Videoarbeit «Dark Content» den Putzkräften im Dunklen angenommen.

Worum geht's?

Auch wenn wir es selbst noch nicht gesehen haben, wissen die meisten von uns: Im Internet gibt es viele Videos, Fotos oder Kommentare, die eine gewisse Schwelle überschreiten, die illegal sind. Auf Plattformen wie Facebook ist Pornografie und Nacktheit beispielsweise per se verboten. Tauchen dennoch unerwünschte Inhalte auf, werden diese gelöscht. Aber nicht von Algorithmen, sondern oft von Menschen. Ein ganzes Heer an sogenannten «Content Moderators» (Inhaltsmoderatoren) säubern täglich das Internet. Nicht selten landen diese Inhalte dann im Darknet.

Eva und Franco Mattes

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Beide wurden 1976 in Italien geboren und leben in Brooklyn, New York. Sie stecken hinter der Internetseite 0100101110101101.org. Seit 1994 arbeiten als Pioniere der Net-Art-Bewegung und sind für ihre Subversion öffentlicher Medien bekannt. Ausstellungen: MoMa PS1, Manifesta 2002, Performa, u.a.

Die Künstler Franco und Eva Mattes haben für ihre Videoarbeit mit Moderatorinnen und Moderatoren gesprochen. Die Videos bestehen aus ausgewählten Interview-Passagen. Doch die Personen im Bild sind Avatare unterschiedlichen Alters und Hautfarbe.

Alle haben die gleiche Stimme, nur das Statement ist jeweils ein anders. Das wirkt nicht nur glatt und maschinell, sondern zeigt gut in welchem Spannungsfeld sich die Moderatoren bewegen. Sie durchsuchen anonym digitale Welten und erledigen Arbeiten, die sie sich mit Computern teilen. Die anonyme Menschmaschine sozusagen.

Warum ist's interessant?

Die Künstler Franco und Eva Mattes erschaffen durch die Künstlichkeit der Avatare eindrückliche Videos, die genug Raum für unsere Phantasie lassen – ohne je schockierende Bilder zu zeigen. Einige der Inhaltsmoderatorinnen erzählen Anekdoten aus dem Alltag, andere berichten von Bildern, die sie nicht mehr aus dem Kopf bekommen.

Manche der Interviewten geben an, sich wie Polizisten zu fühlen. Ihre Arbeit sei eine Form für Frieden im Internet zu sorgen. Doch was muss weg und was kann bleiben, um den Frieden zu wahren?

Screenshot

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Wir sprechen über aktuelle Geschichten und Debatten im Internet. Von Montag bis Donnerstag um 17.40 Uhr in der Rubrik «Screenshot» bei Radio SRF 2 Kultur.

Das Spektrum ist breit: Es reicht von pornografischen, rassistischen oder gewaltsamen Inhalten bis hin zu stillenden Müttern, Küsse unter Homosexuellen oder auch Courbets Gemälde «Der Ursprung der Welt». Der Auftraggeber entscheidet, was weg muss.

Verblüffend ist auch: Die Moderatoren sitzen nicht in den Büros von Google, Facebook, YouTube und Co., sondern auf den Philippinen, in Bulgarien oder in anderen US-Staaten. Angestellt werden sie von Subunternehmen, die Moderatoren wissen oft selbst nicht für wen sie arbeiten. Das hat nichts mehr mit dem Glanz von Silicon Valley zu tun.

Das hat sicher damit zu tun, dass es billiger ist. Aber nicht nur: Das Künstler-Du Mattes äussert sich dazu in einem Interview mit der Kunstplattform «Abandon Normal Devices». Dort sagen sie: Sie glauben, dass die meisten Firmen froh seien, wenn die User glauben, dass es «nur» Algorithmen seien, die aussortieren und nicht echte Menschen. Es klinge harmloser, wenn ein Computer die Entscheidung treffe darüber, was moralisch sei und was nicht.

Konsequent sind die Künstler auch bei der Publikationsplattform ihrer Videos: Sie sind vor allem im Darknet zu sehen. Denn ihrer Meinung nach ist das Dark Web nicht Tummelplatz von Waffenhändlern, Drogenbaronen und Pornoringen. Das Darknet gewährleistet Anonymität und – wenn es nach den Künstlern geht – ein demokratisches Recht in Bezug auf freie Meinungsäusserung.

Wer die Videos aber auch so sehen will. Einige Folgen haben es auf YouTube geschafft.

Neue Episoden werden im Darknet veröffnentlicht – Anleitung hier.

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