Seit Jahren digitalisieren Schweizer Museen, Bibliotheken und Stadtarchive ihre Bestände und stellen sie als offene Datensätze online – frei einsehbar und nutzbar für alle. Das klingt so, wie es ist: nach viel Material, das zwar sehr interessant ist, aber niemand anschaut. Denn oft sind die Daten nicht ganz einfach zu finden oder werden nicht attraktiv präsentiert. Dabei gäbe es in den Bildern, Tondokumenten, Schriftrollen und Fotos durchaus Spannendes zu entdecken.
«Die meisten Menschen suchen im Internet mit einer Suchmaschine. Wenn man da nicht unter den ersten zehn Treffern ist, wird man nicht gefunden», sagt Matthias Nepfer, Leiter Innovation und Informationsmanagement bei der Schweizerischen Nationalbibliothek in Bern, etwas konsterniert. Wie bringen also die sogenannten Glams (englisches Akronym von «Galleries, Libraries, Archives and Museums») das kulturelle Erbe der Schweiz an die Schweizer? «Wir müssen dahin gehen, wo die Menschen sind», sagt Nepfer. «Wikipedia zum Beispiel: So ein Artikel ist bei den Suchmaschinen immer ganz oben in der Trefferliste.»
Aufmerksamkeit dank Wikipedia
2014 entstand eine enge Zusammenarbeit zwischen der Nationalbibliothek und Wikimedia Schweiz, mit Erfolg: Vor kurzem wurden über 2000 «Schweizer Kleinmeister», Landschaftsbilder aus dem 18. und 19. Jahrhundert, in hoher Auflösung auf Wikimedia Commons geladen. «Die Bilder hatten wir auch auf unserer Website online. Da gab es gar kein Echo. Seit sie auf Wikimedia zu sehen sind, ist das Interesse riesig», freut sich Matthias Nepfer.
Doch nicht nur auf Wikipedia. Ein weiteres Instrument, das Schönste aus dem Schweizer Archiv den Usern näherzubringen, ist die Postkarten-App der Nationalbibliothek. Seit Anfang 2015 kann man sie im Appstore gratis runterladen. Die Retro-Ansichtskarten aus den Jahren um 1900 können Touristen oder Einheimische entweder elektronisch oder als richtige Postkarte verschicken.
Schweizer Erbe zurückgeben
Für Nepfer ist dieser Alltagsnutzen wichtig: «Es gehört auch zu unserem Auftrag, unsere Inhalte zu vermitteln. Wir werden vom Schweizer Volk finanziert, damit können wir auch etwas zurückgeben.» Doch App und Wikimedia reichen ihm nicht.
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Deshalb trafen sich am Freitag und Samstag über 100 Programmierer, Datenlieferanten und Wissenschaftler in der Nationalbibliothek in Bern zum ersten Schweizer Kultur-Hackathon. Das Ziel: neue Anwendungen und Ideen für frei nachnutzbare kulturelle Datensätze zu entwickeln. Die Teilnehmer sollen in kleinen Gruppen die Datenbestände nutzen, sich darüber austauschen und gemeinsam programmieren. Parallel dazu laufen Workshops.
Datenheben liegt im Trend
Die Ergebnisse des Hackathons werden am Samstagnachmittag präsentiert. «Ich habe keine Ahnung, was wir am Ende dieses Hackathons haben werden. Allerdings erwarte ich keine fertigen Produkte. Ich wäre froh, wenn es ein paar neue Ideen gäbe, die man dann weiterverfolgen könnte», sagt Nepfer.
Für ihn ist der Hackathon allerdings jetzt schon ein Erfolg: Das Interesse und die Nachfrage waren überwältigend. «Wir hatten mit 30 Teilnehmern gehofft, jetzt haben wir über 100. Wir mussten sogar einigen absagen, weil wir einfach keinen Platz mehr hatten». Der Umgang und die Verwertung mit den riesigen kulturellen Beständen liegen ganz klar im Trend. Dabei stehen vergleichsweise nur wenige Datensätze aus Kultur- und Gedächtnisinstitutionen zur freien Nutzung zur Verfügung. Doch die sind bereits schon fast unerschöpflich.
Sendung: Kultur Kompakt, 2. März 2015, 12:10 Uhr