Es bestehe Informationsbedarf, schreiben die «Museen für Satire» auf ihrer Website: Seit den Anschlägen in Paris am 7. Januar würde zwar vermehrt über Karikatur und Satire diskutiert. Aber in Deutschland und der Schweiz kenne man weder «Charlie Hebdo» noch die bei dem Anschlag getöteten Zeichner gut. Vier deutschsprachige Ausstellungsinstitutionen aus dem Bereich Karikatur und Satire haben darum der Zeitschrift eine Online-Plattform gewidmet.
Die Website
Mit dabei ist auch das Basler Cartoonmuseum. Dessen Museumsleiterin Anette Gehrig bestätigt: «Von Besuchern sind grundsätzliche Fragen zu ‹Charlie Hebdo› gekommen. Wir haben gesehen, dass die Satirezeitschrift, die ja eine lange Geschichte hinter sich hat, hier in der deutschsprachigen Schweiz nicht bekannt ist».
Ein Überblick mit Distanz
Wissen und Kontext sind also wichtig, wenn man sich mit Karikaturen beschäftigt. Anette Gehrig sagt: «Satirische Kunst braucht Vermittlung und muss in grössere Zusammenhänge eingebettet werden.» Das wollen die vier Museen auf der Website mit einer Online-Ausstellung erreichen. Ziel dabei: Das Bewusstsein für Meinungs- und Kunstfreiheit zu schärfen.
Die beteiligten Ausstellungshäuser
- «caricatura museum frankfurt – Museum für Komische Kunst» «caricatura museum frankfurt – Museum für Komische Kunst»
- «Caricatura – Galerie für Komische Kunst» «Caricatura – Galerie für Komische Kunst»
- «Cartoonmuseum Basel» «Cartoonmuseum Basel»
- «Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst» «Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst»
Dafür haben die Museen Kontakt mit der «Charlie Hebdo»-Redaktion aufgenommen und sich vertieft mit den Ausgaben beschäftigt. Anette Gehrig sagt: «Wir haben 250 Hefte aufgearbeitet und uns mit Distanz einen Überblick verschafft: Welche Themen werden in ‹Charlie Hebdo› diskutiert?»
Ein typisch französisches Produkt
Herausgekommen ist eine Online-Schau in acht Kapiteln – oft angereichert mit zahlreichen Karikaturen, vom Französischen ins Deutsche übersetzt. Das Kapitel «Geschichte der Zeitschrift Charlie Hebdo» beschreibt, was die Zeitschrift zu einem typisch französischen Produkt macht und warum «Charlie Hebdo» die aufklärerischen Ideen der Französischen Revolution und die Tradition der politischen Karikatur in Frankreich weiterführt.
Dort ist auch eine aufschlussreiche Grafik aus «Le Monde» eingebunden. Sie zeigt, wie die Themen in «Charlie Hebdo» verteilt sind: Entgegen der landläufigen Meinung spielt nicht Religion, sondern Politik die wichtigste Rolle. Und wenn es in den Jahren 2005 bis 2015 auf der Titelseite um Religion geht, dann meistens ums Christentum.
Bedrückende Biografien
Das Kapitel «Kontext» beschreibt den Laizismus, also die religiöse Neutralität des Staates – ein wichtiger Bestandteil der französischen Gesellschaft und Grundlage für das Denken bei «Charlie Hebdo». Ein Absatz widmet sich zudem dem Unterschied zwischen Blasphemie – die in Frankreich seit 1789 grösstenteils nicht mehr verboten ist – und Aufhetzung.
Im «Pressespiegel» sind neben zahlreichen Links zu Hintergrundartikeln sowie Texten zur Meinungs- und Kunstfreiheit auch Beiträge von anderen Zeichnern, von Experten und Satirikern verlinkt.
Das bedrückendste Kapitel sind die Biografien der Zeichner und Autoren, jeweils begleitet von einer Auswahl ihrer Karikaturen und Texte. Dort wird auch ihr tragischer Tod beschrieben – oder was der Grund war, warum jemand überlebte.
Mehr Wissen
Schliesslich zeigen vier Kapitel einzelne Themenbereiche von «Charlie Hebdo»: Religion, Gesellschaft, Politik und Texte, jedes Mal mit zahlreichen Beispielen aus der Zeitschrift illustriert. Hier wurde grösstenteils auf eine inhaltliche Kontextualisierung verzichtet – ein Punkt, der sicher zu noch mehr Klarheit beigetragen hätte.
Zweifellos ist aber «Museen für Satire» eine Seite, die zu längerem Stöbern einlädt. Und die, wie Anette Gehrig es sich wünscht, den Eindruck vermittelt, nun mehr über «Charlie Hebdo» zu wissen.