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Man sieht einen Menschen. An seinem Körper sind unzählige, neonfarbene Geräte sichtbar.
Legende: Die tragbare Technologie tarnt sich als Kleidung. Die Daten zu den Menschen enthüllt sie aber trotzdem. Flickr/ Keoni Cabral

Netzwelt Wenn unsichtbare Technik die Menschen noch durchsichtiger macht

Neue tragbare Technologien räumen die Technik aus dem Weg – und machen sie dennoch allgegenwärtig. Unzählige sogenannter «Wearables» werden dieser Tage an der Technologie-Messe SXSW vorgestellt. Die Bedenken zur Privatsphäre aber bleiben.

In der Schlange vor der Kaffeetheke warten fast zwei Dutzend Menschen auf ihre Bestellung. Und alle starren sie auf ihr Handy. «Irgendwann schauen wir auf heute als dunkle Vergangenheit zurück», sagt ein junger Mann an einem Tisch neben der gut besuchten Kaffeetheke. «Wir verbringen viel zu viel Zeit mit gesenktem Kopf und starren auf unsere Displays.»

Diese Szene spielt sich in Austin, Texas, ab, wo sich in der vergangenen Woche Zehntausende zur Technologie-Messe «South by Southwest» versammelt hatten. Doch sie hätte genauso in St.Gallen, Basel oder Zürich stattfinden können.

Die drei besten «Wearables»

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Der junge Mann am Tisch neben der Kaffeetheke möchte dem ein Ende bereiten. Er heisst Ashley Beattie, ist Kanadier und Gründer von «Kiwi Wearables», eine Technologie, die man wie eine Brosche tragen soll. «Move» nennt sich eine dieser winzigen Broschen. Und das kleine Gerät ist längst nicht das einzige seiner Sorte. Dutzende Firmen, die Produkte der Kategorie der «Wearables» herstellen, haben sich an der Messe vorgestellt. Ein «Wearable» ist schon weltweit bekannt: Googles Datenbrille «Google Glass». Noch vor einem Jahr war sie hier in Austin eine Seltenheit, schon dieses Jahr ist sie allgegenwärtig.

Armbänder, Broschen und Taschen

Unzählige dieser tragbaren Technologie-Gadgets gibt es: «Nymi», ein kleines, schickes Armband trägt unsere Identität in sich. Müssen wir etwas bezahlen, eine Tür aufmachen oder ein Passwort eingeben, reicht ein Wink. Ein Helm für Motorradfahrer zeigt auf dem Visier Karten und andere nützliche Informationen, wie auf einem Bildschirm. Und bereits auf dem Markt sind eine Menge Fitnesstracker, die Schritte zählen.

Das Interesse am «unsichtbaren Technologie-Markt» ist riesig. Start-ups sehen darin die Milliarden-Idee, Investoren wittern das riesige Geschäft und Werber träumen davon, sich nahtlos in unser Leben einzufügen – und das 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche.

Das iPhone der Wearables

Bald schon geben wir 18 Milliarden pro Jahr aus für solche Geräte, glauben Analysten. Noch aber fehlt ein «iPhone der Wearables», ein Megastar sozusagen. Noch zu unklar ist ihr Nutzen und zu eigenartig ihr Design.

Doch Ashley Beattie glaubt, ein Gerät entwickelt zu haben, das raussticht: «Kiwi Move», ein quadratischer Winzling, vollgepackt mit Sensoren und einem Mikrofon, der so ziemlich alles aufzeichnen kann, was man will. Mit einer Handbewegung startet der Musikplayer. Ziehen wir uns im Fitnessstudio an einer Stange hoch, zählt der kleine Helfer mit. Schlafen wir in der Nacht, misst es anhand Bewegungen und Geräuschen die Qualität unserer Nachtruhe.

Doch die Fragen, die offen bleiben, sind gross. Genauso wie der Trend sind sie nicht neu. Viele Informationen werden schon heute von unseren Smartphones gesammelt. Die Daten, die «Wearables» sammeln, sind jedoch detaillierter.

Datenhungrige Gadgets, hilflose Politik

Die neuesten Smartphones von iPhone und Samsung verfügen über gut ein Dutzend Sensoren. Samsung hat kürzlich ein Gerät vorgestellt, das wie der «Kiwi Move» Bewegungen erfassen und wie das «Nymi-Armband» Herzschläge zählen kann. Die Daten werden ins Internet geladen, an Macher von Apps weitergegeben, und – haben wir erstmal «Akzeptieren» geklickt – unterliegen sie denselben Bedingungen wie denen, die wir sonst mit den Smartphones sammeln.

«Die Regeln der EU sind sozusagen eine Freikarte für alle Datenverarbeiter und ein erheblicher Rückschritt im Datenschutz», sagte Alexander Rossnagel, ein deutscher Rechtswissenschaftler, kürzlich gegenüber dem ZDF. Wie die Politik hat auch «Kiwi»-Gründer Beattie keine Antworten: «Wir müssen noch lernen, mit all diesen Informationen umzugehen – mit der Möglichkeit, all diese Daten zu sammeln.» Er gibt offen zu: «Ich weiss selbst nicht so genau, wohin das alles führt.»

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