Kent Heckel träumt den Youtube-Traum. Der 18-jährige Amerikaner erzählt davon begeistert und spricht wie alle in dieser fröhlichsten Ecke des Internets, die Youtube geworden ist: Sein Leben sei «awesome», er wolle es «völlig ausschöpfen» – und er wolle es festhalten, erzählt er, in einem Vlog, also einem Videoblog.
Es ist der Traum, den Youtube in den vergangenen zehn Jahren wahr gemacht hat. Aus der Plattform wurde eine globale Unterhaltungsmaschine, auf der junge Menschen mit verwackelten und oft belanglos-witzigen Videos wichtige Botschafter für die grössten Marken der Welt wurden.
Anderen Plattformen bieten mehr
Doch Kent träumt diesen Traum nicht nur auf Youtube, sondern vor allem auf Vessel, einem neuen Video-Start-up. Die Menschen hinter Vessel behandeln ihn jetzt schon wie einen Star, obwohl er noch weit hinter den grossen Youtube-Stars herhinkt. Deren Gefolgschaft besteht aus mehreren Millionen, Kent hat nur gut zehntausend Abonnennten.
Bloss noch vor einigen Jahren hätte es für ihn nur eine Adresse gegeben, bekannter und reicher zu werden. Doch heute reissen sich auch andere um seine Gunst. Vessel ist die neueste Plattform, und sie bietet Videomachern viel Geld. Während sie auf Youtube für 1000 angesehene Videos zwischen einem und fünf Dollar verdienen können, seien es auf Vessel gut 20, teilweise mehr, erzählt Kent. Alles, was Vessel dafür will, ist, dass Videomacher ihre Werke mindestens drei Tage exklusiv auf die Plattform laden.
Youtube ohne seine Stars
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Einige der erfolgreichsten Macher auf Youtube hat Vessel überzeugen können, ihre Videos immer zuerst auf ihre Plattform zu laden. Doch auch andere kämpfen um Youtube- und andere Videostars.
Die neueste Dokumentation des Youtube-Nachrichtensenders Vice wird zuerst auf Snapchat veröffentlicht, einer App, mit der man seit neuestem nicht mehr bloss Nachrichten hin und herschicken kann, sondern auch fernsehen.
Auf der App bringt ein Wisch nach rechts ein knappes Dutzend «Sender» zum Vorschein. CNN ist dabei, MTV und eben auch Vice. Ausgerechnet. Der Sender war noch im vergangenen Jahr als Youtube-Aushängeschild auf gigantischen Werbeplakaten beworben worden.
Alle kämpfen um Video
Und es gibt noch mehr Alternativen: Vine, Twitter, Instagram und Facebook bieten Videomachern noch direkteren Zugang zu den Massen. Hier verbreiten die meisten Youtube-Stars ihre Videos – doch nun sollen sie ihre Werke dort direkt hochladen.
Die grösste Gefahr für Youtube könnte Facebook werden. Der soziale Gigant hat nicht nur dem Tochter-Netzwerk Instagram eine Videofunktion verliehen, sondern seine eigene massiv verbessert — mit rasendem Erfolg. Heute werden drei Milliarden mal pro Monat Videos auf Facebook angeschaut. Das sind zwar immer noch weniger als auf Youtube vor wenigen Jahren (vier Milliarden), aber dennoch drei mal mehr als noch vor wenigen Monaten auf Facebook.
Erst diese Woche hat eine der ältesten Youtube-Institutionen angekündigt, eine tägliche Sendung extra für Facebook zu produzieren: The Young Turks, die sich mit ihrer Nachrichtensendung auf Youtube Millionen Abonnenten verschafft haben. Noch nie hätten ihre Videos so schnell ein so grosses Publikum gefunden, sagten sie dem «Wall Street Journal».
Mehr Geld, längere Verträge
Die neue Konkurrenz zwingt Youtube, der jahrelangen Kritik von Machern und Werbern besser zuzuhören. Vor einem Jahr ging die Plattform in die Offensive und bewarb einige Top-Stars mit Plakaten – ganz wie es Fernsehsender tun. Die Plattform verlangte höhere Preise für Werbung vor den erfolgreichsten Videos – ganz wie es Fernsehsender tun – und versprach für Ende dieses Jahres eine neue Finanzierungsrunde für die Top-Videomacher der Plattform.
Auch ganz wie Fernsehsender bot Youtube seinen wichtigsten Stars Exklusivverträge, grosse Boni und bessere Konditionen, damit sie bleiben. Für junge Stars wie Kent bedeuten die neuen Möglichkeiten, Karriere zu machen. Und in vieler Hinsicht steht auch Youtube nach zehn Jahren wieder ganz am Anfang seiner Karriere – und die gleicht der eines ganz gewöhnlichen Fernsehsenders.