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Video
Aus dem SRF-Archiv: «10vor10» nimmt das Moorhuhn ins Visier
Aus 10 vor 10 vom 21.08.2000.
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20 Jahre Moorhuhnjagd Das Huhn, das alle in den Wahnsinn trieb

Um die Jahrtausendwende grassierte das Moorhuhn-Fieber. Für die Firma hinter dem Huhn endete es tödlich.

Um die Jahrtausendwende ging ein Huhn um in Europa – das Moorhuhn. Kaum ein Computer im Büro oder zu Hause, an dem das Federviech nicht gejagt wurde. So heftig war das Moorhuhn-Fieber, dass Beratungsfirmen vor kostspieligen Arbeitsausfällen wegen des Spiels warnten.

Vom Erfolg waren selbst die Macher überrascht: «Keiner der Involvierten hätte das geahnt», sagt heute Ingo Mesche, der das Moorhuhn schon 1994 erschaffen hat. Drei Jahre später wurde es dann zur Hauptfigur eines Werbe-Games, das die Agentur Phenomedia für die Whiskey-Marke Johnnie Walker programmierte.

Audio
Interview mit Ingo Mesche, der die Figur des Moorhuhns erfunden hat.
10:33 min Bild: Screenshot SRF
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Erst wurde das Spiel nur auf Laptops gezeigt, mit denen Promo-Girls durch Bars und Cafés zogen. Doch wer beim Schiessen besonders geschickt war, bekam eine Kopie auf Diskette geschenkt. Die Datei war klein und verbreitete sich in Windeseile per E-Mail von einem Spieler zum nächsten – mit dem Moorhuhn war einer der ersten viralen Hits geboren.

Bilanzfälschung und Haftstrafen

Für die Phenomedia AG, die neben dem Moorhuhn auch Werbe-Games für die Deutsche Telekom oder die Dresdner Bank entwickelte, wurde das Huhn zum Goldesel. Allein «Die Original Moorhuhnjagd» wurde 12 Millionen Mal heruntergeladen.

Der Grafiker Ingo Mesche im Interview.
Legende: Der Vater des Moorhuhns: Ingo Mesche in der Sendung «10vor10» vom 21. August 2000. SRF

Daneben gab es Versionen für die Playstation und den Game Boy. Und jährlich folgten neue Moorhuhn-Varianten: Im Jahr 2000 «Moorhuhn 2 – Die Jagd geht weiter», ein Jahr später «Moorhuhn 3 – …Es gibt Huhn!».Auch wegen des Moorhuhns galten Werbe-Games um die Jahrtausendwende plötzlich als Reklameform der Zukunft. Die Phenomedia wurde zu einem Darling der deutschen New Economy und im Zuge der Dotcom-Blase stieg ihr Börsenwert bis auf 400 Millionen Euro. Doch beim Erfolg des Unternehmens ging nicht alles mit rechten Dingen zu.

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Im April 2002 wurde bekannt, dass die Phenomedia ihre Zahlen geschönt hatte. Auf Papier wurden Gewinne aufgeblasen und Verluste kleingeredet. 2009 verurteilte das Landgericht Bochum deshalb den Vorstandschef und den Finanzchef des Unternehmens zu mehrjährigen Haftstrafen. Nach dem Finanzskandal musste die Phenomedia Insolvenz anmelden und wurde schliesslich aufgelöst.

Das Moorhuhn fliegt weiter

Grafiker Ingo Mesche zog kurz nach seiner Arbeit am Moorhuhn nach Malta, vom Erfolg des Games erfuhr er erst zwei Jahre später. Mit der Phenomedia AG stritt er sich in der Folge um nicht eingehaltene Lizenzzahlungen.

Heute blickt er mit gemischten Gefühlen auf seine bekannteste Figur zurück: «Wenn ich daran denke, dass ich das Moorhuhn gemacht habe, dann ist das natürlich etwas Tolles. Aber wie das alles passiert ist, das war schon wirklich erschreckend.»

Der deutsche Komödiant Wigald Boning beim Einsingen des Songs «Gimme More Huhn».
Legende: Im Jahr 2000 veröffentlichte der deutsche Komödiant Wigald Boning seinen Moorhuhn-Song «Gimme More Huhn» – in der Schweizer Hitparade kam er damit bis auf Platz 39. imago images

Werbe-Games wie das Moorhuhn gibt es immer noch. Doch die Erwartungen sind geschrumpft. Das hat auch mit dem Moorhuhn zu tun, dem bis heute wohl bekanntesten dieser Games: Denn ob die Whiskey-Marke Johnnie Walker tatsächlich vom Erfolg des Spiels profitieren konnte, ist fraglich.

Schon zum Höhepunkt der Moorhuhn-Manie spotteten Branchenkenner, dass wegen der Moorhuhnjagd keine Flasche Whisky zusätzlich verkauft werde.

Das Moorhuhn dagegen zeigt sich als zäher Vogel und fliegt immer noch über den Bildschirm. Bis heute sind über 50 verschiedene Moorhuhn-Games entstanden – allein im letzten Jahr erschienen drei neue Titel. Das aktuelle Spiel trägt den Namen «Moorhuhn UnfairPlay» – mit Blick auf die Geschichte des Moorhuhns klingt das schon fast selbstironisch.

Sendung: SRF Virus, 7. November, 15:20 Uhr

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