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Ein Smartphone mit dem Snapchat-Logo. Jemand hält das Smartphone.
Legende: Ein Geist geht um – und das auf vielen Smartphones. Aber die Frage ist: Kann er auch Journalisten begeistern? Keystone

Netzwelt Der Journalismus von morgen – im Geiste von Snapchat?

Ob Sexting-App oder Spielzeug der jungen Generation: Die App Snapchat ist vor allem als flüchtig freches Kommunikationsmittel bekannt. Doch Snapchat dient auch Medien als Plattform – und eröffnet damit dem Journalismus neue Möglichkeiten.

Menschen, die grosse Emoji-Augen machen und denen ein Regenbogen aus dem Mund strömt: Das sind die Bilder, die man sogar als Snapchat-Banause kennt. Denn Stars, Junge und Junggebliebene kommunizieren auf Snapchat. Aber nicht nur: Denn auch Medienhäuser erzählen auf der App ihre Geschichten.

Snapchat

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Mit der Gratis-App kann man Bilder und kurze Videos verschicken, die nur eine bestimmte Anzahl von Sekunden sichtbar sind und sich dann selbst «zerstören». Im Gegensatz zu Facebook und Youtube werden Snapchat-Videos ausschliesslich auf dem Smartphone geschaut.

Das Tor zu einem neuen Publikum

«CNN», «National Geographic» oder «Vox » etwa haben auf Snapchat ihren eigenen Kanal. Von Snapchat ausgewählt, dürfen sie im sogenannten «Discover-Feature», das auf der Übersichtsseite prominent sichtbar ist, ihre Geschichten gegen Bezahlung publizieren.

Damit, so Konrad Weber, Social-Media-Experte bei SRF, eröffneten sich für Medienhäuser neue Türen: «Sie haben erstmals ein Einfallstor in Snapchat – und dadurch auch die Möglichkeit, ein junges Publikum an Medienhäuser zu binden, das mit diesen Bereichen nicht mehr vertraut ist.» Über 50 Prozent der Snapchat-User sind unter 34 Jahre alt. Die treusten App-Anhänger gar unter 20.

Eine neue Art des Erzählens

Die Präsenz auf Snapchat generiert mehr Aufmerksamkeit bei jungen Usern, sie fordert die Medienhäuser aber auch heraus. Denn publizistische Inhalte müssen in einer neuen, für Snapchat massgeschneiderten Weise vermittelt werden. «Bento» beispielsweise, das junge «Spiegel Online»-Portal, erzählt auf seinem Profil – Profile stehen allen und nicht nur von Snapchat ausgewählten Medienhäusern offen – Nachrichten in Videoschnipseln.

Ein Mann mit Brille. Er hat grosse Augen und aus seinem Mund strömt ein Regenbogen.
Legende: Spass à la Snapchat – der Regenbogen ist ein beliebtes Foto-Accessoire. Flickr/Stephan Mosel

«Auf Snapchat entsteht eine neue Form des Geschichtenerzählens, bei der journalistische Inhalte viel direkter, viel kürzer erzählt werden», beobachtet Konrad Weber. Die Geschichten auf Snapchat, die vom kurzen Video über das Quiz bis zum knackigen Text reichen, sind bildstark, lebendig, kurzweilig – und vor allem kurzlebig.

Der Vorteil des Flüchtigen

Im Gegensatz zu Snaps – den Direktnachrichten – werden die Geschichten nicht sofort gelöscht, sobald sie angeschaut wurden. Mit 24 Stunden haben aber auch sie nur eine kurze Lebensdauer. Je kurzlebiger die Inhalte, desto grösser die Lust zum Tüfteln: «Auf Snapchat können Medienhäuser experimentieren, weil die Geschichten nicht so tragend sind, nicht so lange nachwirken wie auf den ‹gestandenen› Kanälen.»

Dass Snapchat einen Journalismus des Hier und Jetzt nährt, zeigt sich auch an sogenannten Live-Events, die von hauseigenen Redaktoren kuratiert werden. Bei Ereignissen, die thematisch vom San-Bernardino-Attentat bis zu den Brit-Awards reichen, erstellen diese selbst Inhalte, wählen von Usern produzierte Inhalte aus und fügen sie zu einer 1:1-erlebbaren Geschichte zusammen. Das Ziel: Der User soll auf Snapchat das Ereignis miterleben – hautnah.

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Spielerisch statt klassisch zum Publikum

Dieser Service an User könnte vor allem Twitter in die Quere kommen: «Twitter lebt vom Live-Moment und dem chronologischen Erzählen. Snapchat könnte deshalb durchaus ein direkter Konkurrent werden. Vor allem, weil es durch die Bewegtbilder noch viel unmittelbarer wirkt.»

Die Bewegung, das Unmittelbare, die Schnelligkeit: Das macht den Reiz der App aus. Deshalb sollten auch Medienhäuser die App im Auge behalten. Das künftige Potenzial der App einzuschätzen sei zwar schwierig, so Weber, aber er ist überzeugt: «Die Plattform wird wichtiger werden. Denn den gestandenen Medienhäusern bricht das junge Publikum weg. Ein Publikum, das nicht mehr klassisch informiert werden will.» Die Spielwiese Snapchat – sie könnte der Ort sein, um genau dieses Publikum abzuholen.

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