Die Idee ist denkbar simpel: Künstlerinnen, Musiker und Autorinnen wollen Projekte umsetzen. Dafür brauchen sie Geld. Und dieses Geld bekommen sie von denen, die sich für die Projekte interessieren und sich beteiligen. Das ist das Prinzip der Schweizer Crowdfunding-Plattform «Wemakeit»: Kulturschaffende reichen ein Projekt ein und versuchen, innerhalb einer bestimmten Zeit die erforderliche Stange Geld zusammenzukriegen.
Kein Missbrauch dank sozialer Kontrolle
In den ersten drei Jahren kamen bei «Wemakeit» schon fast 7 Millionen Franken für Kulturprojekte zusammen. 40'000 Menschen haben sich beteiligt, 1000 Projekte wurden erfolgreich umgesetzt. Ob das Geld auch wirklich in die angegebenen Projekte fliesst, kontrolliert die Schweizer Crowdfunding-Drehscheibe allerdings nicht. Gemäss Johannes Gees, dem Gründer und Geschäftsleiter, gab es aber bis heute keinen Missbrauch. Die soziale Kontrolle scheint zu funktionieren.
Wenig erstaunlich, denn ein grosser Teil der Kultur-Investoren sind Freunde und Bekannte der Projekt-Initianten. Entsprechend wird auch immer wieder Kritik laut, dass nur Anbieter mit einer grossen Crowd innerhalb des Zeitrahmens genügend Geld auftreiben. Dem hält Gees entgegen, dass die Projekte auf «Wemakeit» keine Blockbuster sind: «Im Moment sind Projekte zwischen 5000.- und 50‘000.- Franken online. Diese werden von einer Crowd von 20 bis etwa 300 Leuten finanziert. Es kann also jeder, der kulturell tätig ist und etwas zu sagen hat, so sein Projekt finanzieren.»
Crowdfunding hat eben erst begonnen
Tatsächlich: Klickt man auf der Plattform auf «Projekte entdecken», taucht man ein in eine kunterbunte Welt der Ideen: Ein digitales Film-Archiv, eine nach eigenen Angaben «wagemutige Mode-Kollektion», eine Hörspielreihe, ein 3D-Drucker – überall kann Geld investiert werden. Tut man dies und wird man damit Teil des Projekts, erhält man ein Geschenk und allenfalls sogar eine Erfolgsbeteiligung.
Für Johannes Gees ist Crowdfunding kein Zeitgeist-Phänomen, sondern ein neues Paradigma: «Ich glaube, diese Art der Teilhabe ist die Zukunft.» Crowdfunding sei das Geschäftsmodell der heutigen Social Media-Welt. Gees prognostiziert: «Diese Technologien werden – vielleicht nicht in Form grosser Plattformen, sondern kleinerer Module – an sehr vielen Orten in der Wirtschaft Einzug halten. Die Crowdfunding-Geschichte hat gerade erst begonnen.»
Aus der Kulturbranche in die Realwirtschaft
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In der Tat ist die Wirtschaft auch in der Schweiz bereits auf den Crowdfunding-Zug aufgesprungen: Letztes Jahr hat die Swisscom dem jungen Online-Unternehmen das System abgekauft. Die Swisscom bietet die von «Wemakeit» entwickelte Software jetzt auch ihren Infrastruktur-Kunden an, zumeist Banken.
«Die Swisscom hat früh erkannt, dass Crowdfunding früher oder später auch ausserhalb der Kultur eine grosse Rolle spielen wird», sagt Johannes Gees. Und diese Partnerschaft zeige auch, dass die guten Ideen der Kreativen auch in der Realwirtschaft Erfolg haben können.
Nicht von Grossen weggepustet werden
Bedeutet dies, dass der kleine Player «Wemakeit» nun von einem grossen geschluckt wurde? «Nein», sagt Johannes Gees. «Wir sind genauso unabhängig wie vorher. Wir betreiben weiterhin unsere eigene Plattform und gehören uns selber.»
Durch diesen Verkauf könnte «Wemakeit» nun aber in einen Ausbau investieren. «Wir haben noch sehr viel vor. Wir haben im Januar in Österreich ein zweites Büro eröffnet, jetzt geht ‹Wemakeit Österreich› online.» Für Johannes Gees ist es sowohl bei der Ausdehnung in andere Länder als auch bei der Partnerschaft mit Swisscom wichtig, in einem globalen Rahmen zu denken: «Es geht darum, die schweizerische oder europäische Crowdfunding-Industrie soweit aufzubauen, dass man nicht plötzlich von amerikanischen Plattformen weggepustet wird.»
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 4.2.2015, 8.10 Uhr