Als Reto Stalder vor vier Jahren einen Jungbanker spielen sollte, rechnete er nicht damit, dass die Theaterrolle sein finanzielles Leben umkrempeln würde. «Ich hatte keine Ahnung von der Finanzwelt», erinnert sich der 35-jährige Schauspieler. «Also dachte ich mir: Ich kauf’ mal eine Aktie.»
Bald liess ihn der Aktienmarkt nicht mehr los. Inzwischen investiert Stalder regelmässig. Zudem führt er einen Finanzblog, auf dem er anderen Tipps gibt.
Vom Sparer zum Investor
Stalder ist nicht der einzige sogenannte Hobby-Trader. Deren Zahl ist in den letzten Jahren vor allem bei jungen Leuten gestiegen, auch dank dem Internet.
Für viele sind dabei die tiefen, beziehungsweise negativen Zinsen auf den Sparkonten ausschlaggebend. Weil das Geld auf dem Bankkonto immer weniger wird, investieren sie es lieber an der Börse. Für Stalder ist es Ausdruck finanzieller Selbstbestimmung.
Der Aktienhandel ist nur noch einen Klick entfernt.
Fachleute schätzen, dass in der Schweiz mittlerweile jeder Zweite Geld an der Börse hat. «Der Aktienhandel ist nur noch einen Klick entfernt», erklärt der Ökonom Thorsten Hens von der Universität Zürich. «Das ist toll, kann aber auch gefährlich werden.»
Nicht im roten Bereich drehen
Das Auf und Ab an den Finanzmärkten ist gewöhnungsbedürftig. Reto Stalder war zu Beginn überfordert. «Ich checkte ständig am Handy, wo meine Aktien stehen», erinnert er sich. «Wenn ich etwas gekauft hatte und es am nächsten Tag im roten Bereich war, wusste ich nicht, was ich tun sollte.»
Also las er nach, wie Finanzmärkte funktionieren, und was beim Handel mit Aktien wichtig ist. Weil er dieses Wissen umsetzen wollte, entwickelte er ausgeklügelte Strategien. So legte er etwa fest, bei welchen Marktsignalen er kaufen oder verkaufen wollte. «Meist lag ich daneben», räumt er ein.
Inzwischen kauft Stalder höchstens einmal pro Monat etwas Neues. Das läuft weitgehend emotionslos ab. Er setzt auf Fonds, die den grossen Aktien-Indizes folgen und auf lange Sicht etwas bringen, sogenannte ETFs. «Dann bleibe ich auch ruhig, wenn die Kurse fallen», erklärt er. Schliesslich brauche er sein Geld erst in 30 Jahren.
Wie eine Fertigpizza
Thorsten Hens hält Stalders Strategie für umsichtig. Das schnelle Traden erfordere Wissen und Erfahrung. Der rasche Gewinn sei eine Illusion.
Fonds dagegen seien wie eine Fertigpizza: «Man muss sich nicht darum kümmern, woraus der Teig besteht und was auf die Pizza kommt.» Es reiche, sich für eine bestimmte Pizza zu entscheiden. Das sei ideal für Anfängerinnen und Anfänger oder Leute, die sich für das Geldanlegen nicht interessierten.
Die Macht der Mitbesitzer
Bald merkte Stalder, dass er als Hobby-Trader weit mehr beeinflussen konnte, als wenn er das Geld auf dem Konto liegen liess. Sparer haben schliesslich kaum Einfluss darauf, was die Bank mit ihrem Geld macht.
Wer dagegen an der Börse Aktien eines Unternehmens kauft, finanziert dessen Geschäft. Das Spektrum reicht von Impfstoffen oder Arzneimittel über Eisenbahnen und Solaranlagen bis hin zu Waffen. Also kann man auch gezielt Dinge fördern, die einem wichtig sind.
Das gilt auch für die Fonds-Fertigpizzen: «Es gibt Webseiten, um nachzuschauen, woher die Ingredienzen kommen», erklärt Finanzfachmann Hens. So könne man selbst entscheiden, ob man beispielsweise auf regionale Bio-Produkte setzen will. Gleichzeitig könne man ausschliessen, was einem nicht passt.
Langer Atem statt schnelles Geld
Sowohl Thorsten Hens als auch Reto Stalder sind überzeugt, dass sich die Börse auch für Kleinanleger lohnt. Vieles, was im Internet über den Börsenhandel erzählt werde, sei allerdings Blendwerk. Wer auf das schnelle Geld hoffe, könne viel verlieren.
Die nächste Krise kommt bestimmt.
Belohnt werde, wer einen langen Atem habe und auch bei Verlusten ruhig bleibe. Für Anlagen seien 15 bis 20 Jahre eine sinnvolle Zeitspanne, sagt der Ökonom: «Denn die nächste Krise kommt bestimmt. Der Aufschwung danach aber auch.»