Am Samstagabend, 14. März 2020, war das Leben noch normal. Mirco Knedel sass gemeinsam mit seiner Partnerin und Freunden beim Brettspiel, als das Telefon läutete. Es war halb elf Uhr nachts, Mirco Knedel wunderte sich. Als er abnahm, befahl ihm eine aufgezeichnete Aufnahme: einrücken, morgen.
Die Ungewissheit schlug aufs Gemüt
Oberleutnant Knedel packte seine Sachen und rückte ein. Es war der Beginn seines Corona-Einsatzes. Dass er seine Familie – Frau, Kinder, Pflegetochter – viele Wochen nicht sehen würde, wusste er damals nicht.
Er ass mit uns oder rauchte auch mal eine Zigarette mit uns.
«Die ersten Wochen waren ok, danach wurde es schwierig», erinnert sich Mirco Knedel. «Wir konnten nicht nach Hause, keinen Dampf ablassen im Ausgang. Die Stimmung war zum Teil sehr angespannt», erzählt er. Die Ungewissheit angesichts des neuen Virus, die Unsicherheit, wann man die Liebsten wieder sieht, das alles schlug aufs Gemüt.
Der Seelsorger als Anker
Es war Armeeseelsorger Stefan Staub, der Stimmung auffing. Er sei ein Anker gewesen, sagt Mirco Knedel. «Er ass mit uns. Rauchte auch mal eine Zigarette mit uns. War präsent.» Der Armeeseelsorger hörte zu, teilte die Sorgen und half «mit seiner Menschlichkeit», wie es Knedel formuliert.
An den Sonntagen organisierte Stefan Staub jeweils eine Feier, «kein Gottesdienst, die Religion stand nicht im Vordergrund». Mirco Knedel selbst sei «eher katholisch» aufgewachsen, jedoch nicht getauft und bezeichnet sich auch nicht als religiös. «Ich ging hin, weil es mir guttat.» Der Seelsorger habe es geschafft, schöne Momente zu schaffen, die zum Denken anregten.
Heiratsantrag – dank Armeeseelsorger
Wie an jenem Sonntag, als Stefan Staub die Truppe an die Familien erinnerte und daran, was sie zu Hause leisteten, während die Soldaten und Offiziere ihren Dienst taten. «Das hat mich sehr berührt. Ich dachte an meine Freundin zu Hause. Und beschloss, ihr einen Heiratsantrag zu machen», erzählt Mirco Knedel.
Er weihte Seelsorger Stefan Staub und seine Kameraden ein. Gemeinsam planten sie den Antrag: Freundin Célina wurde zu einem vermeintlichen Besuchstag eingeladen, die Kameradinnen und Kameraden überreichten ihr nacheinander rote Rosen. Und zum Schluss ging Mirco Knedel vor ihr auf die Knie. Célina sagte Ja.
Im Mai 2022 folgte schliesslich das grosse Hochzeitsfest auf Schloss Beuggen. Getraut hat die beiden – natürlich – Armeeseelsorger Stefan Staub.
Mit dem «Padre» im Kosovo
Von Stefan Staub schwärmt auch Marco Bezzola, Oberst im Generalstab und ehemaliger Kommandant der Swisscoy im Kosovo. Den «Padre» nannten die Soldaten und Offiziere ihren Armeeseelsorger liebevoll.
«Lass uns kurz ein paar Worte mit dem Padre reden», hiess es des Öfteren, wenn der Einsatz im fremden Land, weit weg von Zuhause, auf die Stimmung drückte.
Sechs Monate lang dienten die Soldaten und Offiziere unter Kommandant Marco Bezzola jeweils im Kosovo. «Der Padre hat mir dabei sehr geholfen», sagt der Oberst im Generalstab rückblickend. «Wir hatten von Anfang eine gute Vertrauensbasis. Die Gespräche mit ihm waren persönlich sehr bereichernd.»
Dabei hätten sie oft nicht über konkrete Sorgen gesprochen, sondern miteinander philosophiert. «Das war sehr wohltuend.» Die Religion habe keine Rolle gespielt, obwohl Seelsorger wie auch Kommandant Katholiken sind.
Die Einsamkeit des Kommandanten
Der Armeeseelsorger war aber mehr als ein persönlicher Vertrauensmann, er war auch Vermittler. Die Unterstellten sagen ihrem Kommandanten nicht immer, wie es ihnen wirklich gehe. Der Oberst im Generalstab spricht von der «Einsamkeit des Kommandanten».
Der Armeeseelsorger hingegen wusste meist, wo der Schuh drückte. Der Padre habe ihm, ohne seine Schweigepflicht zu verletzen, Hinweise auf mögliche Konflikte gegeben.
«Man kann sich nicht verstecken»
So ein Einsatz in einem fremden Land, sechs Monate mit denselben Leuten, sei etwas ganz anderes als ein WK oder eine Rekrutenschule. «Da kann man sich nicht verstecken.» Probleme, die Soldaten oder Offizier von zu Hause mitbrachten, verschwanden nicht einfach. Auch hier half der Padre.
Indem er einzelnen Armeeangehörigen beim Verarbeiten ihrer Sorgen unterstütze, half er der ganzen Truppen, ist der ehemalige Kommandant der Swisscoy überzeugt: «Die gemeinsame Arbeit, der gemeinsame Erfolg schweisst zusammen.»
Und weil es in einer derartigen Truppe auch «mönschelet», wie Marco Bezzola es ausdrückt, hatte Armeeseelsorger Stefan Staub auch hier die schöne Aufgabe, nach der Rückkehr aus dem Kosovo in der Schweiz eine Heirat zu schliessen.