Bevölkerungsexplosion, Rohstoffmangel, Umweltverschmutzung: Die Wissenschaft sagt uns düstere Zeiten voraus. Als Lösung für diese Probleme wird schon lange gefordert, das Wachstum zu bremsen. Wie kann das gehen in einer Gesellschaft, in der Konsum Glück verspricht?
Stephanie Moser vom Centre for Development and Environment an der Universität Bern erklärt, warum weniger mehr sein kann.
SRF: Warum soll ich Genügsamkeit gut finden?
Stefanie Moser: Das Weniger bietet auch die Chance, dass wir uns von Konsumzwängen befreien. Wir werden wohl nicht darum herumkommen, unseren Konsum und Lebensstil zu verändern, wenn wir in Einklang mit den planetaren Grenzen kommen wollen. Damit meine ich die Grenzen, die unser Planet bezüglich des Materials, der Rohstoffe, der Energie, aber auch der Emissionen setzt.
Die Nachhaltigkeitsforschung hat den Begriff der Suffizienz geprägt. Was heisst das konkret?
Suffizienz kann man auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen verstehen. In meinem Alltag kann es bedeuten, dass ich weniger Energie und Rohstoffe verbrauche, um meine Bedürfnisse zu befriedigen.
Das heisst nicht per se, dass ich weniger, sondern dass ich anders konsumiere. Beispielsweise indem ich qualitativ hochstehende Produkte kaufe, die eine lange Lebensdauer haben. Produkte, die man reparieren kann oder weitergibt, statt immer wieder neu zu kaufen.
Ist Suffizienz das alleinige Allheilmittel?
Nein, auf keinen Fall. Und Suffizienz beschränkt sich nicht auf die Lebenswelten der einzelnen Menschen, sondern kann als Strategie für die gesamtgesellschaftlichen Ebene verstanden werden. Das bedeutet, dass wir den Verbrauch unserer natürlichen Ressourcen absolut gesehen entkoppeln von unserem Wohlstand, von unserer Lebensqualität.
Suffizienz ist nur eine von vielen möglichen Strategien. Bekannter ist zum Beispiel die Strategie der Effizienz – dass wir mit weniger Energieeinsatz das Gleiche erreichen. Oder jene der Konsistenz: Dass wir beispielsweise versuchen, erneuerbare Energien statt fossile Energieträger zu nutzen.
Suffizienz hängt damit zusammen, wie viel Zeit wir haben, um zu reflektieren, was uns gut tut.
Aber wer verlässt schon gerne seine Komfortzone und ändert seine Gewohnheiten? Wie kann man ein suffizientes Leben schmackhaft machen?
Auf der einen Seite, indem wir unsere Lebenswelten neu arrangieren: Wie wir unsere Wohnungen bauen, unsere Quartiere gestalten, welche Angebote uns in Läden zur Verfügung stehen oder wie mobil wir sind.
Andererseits hängt Suffizienz stark damit zusammen, wie viel Zeit wir haben, um zu reflektieren, was uns gut tut.
Sie haben untersucht, wie unser Einkommen mit unserer Bereitschaft zu mehr Genügsamkeit zusammenhängen. Was haben Sie herausgefunden?
Wir haben gesehen, dass Menschen mit höherem Einkommen tendenziell mehr Energie verbrauchen und damit grössere CO₂-Fussabdrücke haben. Mehr Einkommen bedeutet zwar, dass man eher Bioprodukte oder energieeffiziente Geräte kauft.
Aber wenn man dafür mehr solche Geräte hat, in grösseren Wohnungen lebt, häufiger fliegt oder mehr mit grösseren Autos unterwegs ist, ist dieser Effekt schnell wieder weg.
Das Gespräch führte Katrin Becker.