In keinem Land – ausser in Rumänien – ist der Tannenhäher so verbreitet wie in der Schweiz. Und doch bekommt man diesen kleineren Verwandten des Eichelhähers hierzulande eher selten zu Gesicht. Denn er lebt abseits der grossen Städte in den Gebirgswäldern der Alpen und des Juras.
Laut und durchdringend hört man ihn dort krächzen, nicht schöner als andere Rabenvögel. Und doch: Wer den Tannenhäher einmal gesehen hat, vergisst ihn nicht mehr. Mit seinem dunklen Käppchen auf dem Kopf und dem braunen weissgetüpfelten Gefieder erinnert er irgendwie an einen Tannenzapfen. In diesen – oder genauer gesagt: Arvenzapfen – steckt denn auch die Leibspeise dieses Waldbewohners: Arvennüsschen, die ähnlich aussehen wie Pinienkerne.
Mehr als 6000 Nussverstecke legt ein Häher an
Mit spitzem Schnabel meisselt der Tannenhäher die Nüsschen aus den Arvenzapfen und verstaut sie in seinem Kropf. Um immer genug davon zu haben, versteckt er sie in grosser Zahl. Mehr als 6000 Nussverstecke kann ein einziger Häher pro Jahr anlegen. Unter Wurzeln, in Moospolstern und sonst an unauffälligen Stellen im Boden vergräbt er die Wintervorräte.
Bemerkenswert dabei: Von seinen mehreren Tausend Vorratskammern findet der Tannenhäher die meisten wieder. Gut 80 Prozent beträgt seine Erfolgsquote im Schnitt. Und das, obwohl er sich im Winter zum Teil durch eine Schneeschicht zu den Nussdepots durchgraben muss. Wie ihm dieses Kunststück gelingt, ist bis heute ein Rätsel.
«Nobody is perfect» – zum Glück für die Arven
Sicher ist aber: Der Tannenhäher hat ein phänomenales Gedächtnis. Und sicher ist auch: «Nobody is perfect». Ein paar seiner Nüsschen-Nester findet eben auch der Tannenhäher nicht mehr. Zum Glück für die Arven. Die Nüsse dieses Nadelbaums sind nämlich zu schwer, um vom Wind über grössere Strecken verbreitet zu werden. Dass die Arvenwälder in unseren Bergen sich dennoch jeden Frühling wieder verjüngen, haben sie direkt dem Tannenhäher zu verdanken – und seinen paar Gedächtnislücken.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 18.4.2016, 8:20 Uhr