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120 Jahre Nobelpreis Beim Nobelpreis ist nicht alles Gold, was glänzt

Der Nobelpreis ist die Krönung jeder Forscherkarriere. Was aber, wenn die Falschen geehrt werden? Drei Beispiele.

Die Nobelpreisakademie steht jedes Jahr vor einer schwierigen Aufgabe: Sie muss aus unzähligen wissenschaftlichen Entdeckungen die bedeutsamste auswählen.

Dabei kann die Akademie für jede Entdeckung nicht mehr als drei Personen ehren – obwohl Wissenschaft notwendigerweise ein Gemeinschaftswerk ist und Forschende auf Ideen und Resultaten anderer aufbauen. Die Auswahl der Preisträger ist gelegentlich umstritten, hier drei Beispiele.

1. Wer die Forschung verlässt, geht leer aus

Als Osamu Shimomura in Quallen ein grün leuchtendes Protein entdeckt, denkt niemand, dass es die Forschung revolutionieren würde. Wen interessiert es schon, ob Quallen leuchten.

Doch das grün fluoreszierende Protein der Quallen – GFP genannt – wird zu einem unverzichtbaren Werkzeug der Zellbiologie. Mit GFP kann man etwa beobachten, wie HIV von einer Zelle zur anderen springt, oder wie Nervenzellen wachsen. Möglich ist das nur, weil Douglas Prasher 1992 die Gensequenz des GFP entschlüsselt.

Das Potenzial von Douglas Prashers Arbeit wird damals aber nicht erkannt. Er erhält keine weiteren Forschungsgelder und zieht sich enttäuscht aus der Forschung zurück.

ein schwarz-weiss Foto eines Mannes, der am Mikroskop hantiert
Legende: Der japanische Biochemiker Osamu Shimomura teilte sich den Nobelpreis mit zwei amerikanischen Forschern. EPA/MARINE BIOLOGICAL LABORATORY / HANDOUT

Den Nobelpreis für die Entdeckung des GFP erhalten Jahre später Osamu Shimomura und zwei Forscher, die auf Douglas Prashers Arbeit aufbauten – während sich Prasher als Busfahrer durchschlägt. Das Beispiel zeigt: Wer die Forschung verlässt, geht leer aus.

2. Preis für einen Irrtum

Eine weitere Schwierigkeit für das Nobelkomitee: Gerade, wenn der Preis nur wenige Jahre nach einer Entdeckung verliehen wird, ist das Einschätzen der Forschungsresultate eine Herausforderung. Das zeigt das Beispiel von Enrico Fermi.

Der italienische Kernphysiker erzeugte bei seinen Experimenten 1934 angeblich zwei neue chemische Elemente, die schwerer waren als alle bisher bekannten. Eine Sensation – und dafür erhielt Fermi nur vier Jahre später den Physik-Nobelpreis.

Doch Enrico Fermi lag falsch! Das fanden deutsche Forschende wenige Wochen nach der Übergabe des Preises heraus. Bei Fermis Experimenten waren nicht neue Stoffe, sondern ein Gemisch aus bekannten Stoffen herausgekommen. Und zwar indem sich die Teilchen im Ausgangsmaterial in zwei leichtere Teilchen aufspalteten.

ein schwarz-weiss Foto eines Mannes vor einem Atommodell
Legende: Für die Entdeckung und den radiochemischen Nachweis der Kernspaltung bekam Otto Hahn 1945 den Chemie-Nobelpreis. KEYSTONE/AP Photo

Damit entdeckte das Forschungsteam ein bisher unbekanntes Phänomen: die Kernspaltung. Ohne diese Entdeckung gäbe es heute weder Atomstrom noch Nuklearwaffen. Dafür wurde Otto Hahn 1945 ebenfalls mit dem Nobelpreis geehrt.

3. Politisch nicht korrekt

Der Nobelpreis ist die Krönung jeder Forscherkarriere. Danach ist den Ausgezeichneten die öffentliche Aufmerksamkeit gewiss – für den Rest ihres Lebens. Nicht jeder kann damit umgehen, wie das Beispiel von James Watson zeigt.

Mit nur 25 Jahren lüftete Watson eines der grossen Geheimnisse der Biologie: Er entdeckte gemeinsam mit Francis Crick die dreidimensionale Struktur des Erbgutmoleküls DNA, die Doppelhelix. Damit legten die beiden die Grundlage für die moderne molekulare Genetik.

ein schwarz-weiss Foto von zwei Männern am spazieren
Legende: Francis Crick (links) und James Watson (rechts) forschten in den 50er-Jahren zusammen an der Universität Cambridge. KEYSTONE/AP Photo

Während seiner über 40-jährigen Karriere als Professor tut sich Watson als grosser Verfechter der Genforschung hervor. Der Nobelpreisträger äussert sich aber auch immer wieder abschätzig gegenüber Frauen und People of Color. Oft verbunden mit pseudowissenschaftlichen Aussagen, wonach die Unterlegenheit dieser Menschen durch genetische Unterschiede begründet sei.

Das kostet ihn schliesslich 2007 seine Ämter. Und weil ihm das Geld ausging, sah er sich 2014 sogar gezwungen, seine Nobelpreismedaille zu verkaufen.

Sendung: Radio SRF 4 News, 5.10.2020, 7:20 Uhr

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