Die ETH Zürich ist die renommierteste Hochschule der Schweiz. Die EPFL (Ecole polytechnique féderale de Lausanne) hingegen, kennen viele in der Deutschschweiz nur vom Hörensagen. Dabei hat diese Hochschule in den letzten zwei Jahrzehnten mächtig zugelegt. Derzeit feiert die EPFL ihr 50-jähriges Bestehen. RTS-Wissenschaftsredaktor Stéphane Gaboiud über Konkurrenz, Neid und eine gute Mischung davon.
SRF: Wie gross ist die Bedeutung der EPFL für die Romandie?
Stéphane Gabioud: Es ist eine Ehre, eine solche Schule in der Westschweiz zu haben. Die Romands wissen, dass sie einen guten Ruf hat, auch auf der internationalen Ebene. Ausserdem hat die Schule eine positive Auswirkung auf die Wirtschaft. Das Fach der Biowissenschaften, also Life Sciences, hatte es erlaubt, viele Arbeitsstellen zu schaffen.
Warum ist die EPFL erst 50 Jahre alt? Die ETH Zürich ist im Vergleich dazu mehr als 160 Jahre alt.
Man hat gemerkt, dass man auch in der Romandie exzellente Ingenieure ausbilden muss. Vor 50 Jahren stand man am Anfang der Informatik, die Hochpräzisionmechanik wurde immer anspruchsvoller, die Materialwissenschaft war vielversprechend, man begab sich auf die Suche nach der Kernfusion: Das waren viele Herausforderungen, die die Lust auf Forschung geweckt haben – in diesem Kontext ist die EPFL geboren.
Seither ist sie gewachsen. Was sind die Unterschiede zwischen der ETH und der EPFL heute?
Die EPFL ist kleiner, obwohl sie in den letzten 20 Jahren schnell gewachsen ist: 4000 Studenten vor 20 Jahren, 11’000 heute. Das ist in der Ära vom Ex-Präsidenten Patrick Aebischer passiert. Er hat die EPFL auf die internationale Ebene gepusht. Vorher war sie lange eine regionale technische Hochschule.
Sie hat auch vor der ETH intensive Verbindungen zur Wirtschaft hergestellt. Man hat in Lausanne schnell verstanden, dass Wissenschaft und Forschung zur industriellen Anwendungen führen können.
Man ist sehr enge Bande eingegangen: hat sich etwa von Nestlé Professorenstellen bezahlen lassen und Nestlé durfte dann auch gleich mitreden wer die Professur bekommt und was man genau erforscht.
Diese neue Art von Zusammenarbeit mit privaten Firmen hatte heftige Kritik verursacht. Aebischer hat aber klar gesagt: «Meine grosse Angst ist, dass sich die Privatwirtschaft von den Hochschulen zurückzieht, wenn wir die Bedingungen unattraktiv machen und die Firmen nur noch eigene Forschung betreiben.»
Auch der heutige Präsident Martin Vetterli spricht gerne vom unternehmerischen Virus, den er als DNA seiner Schule betrachtet: die Start-ups, die von Studenten der EPFL gegründet wurden, sind zahlreich. Ein bekanntes Beispiel ist Daniel Borel. Er war Student und hat die Firma Logitech gegründet, also den Computerzubehör-Hersteller mit Tausenden von Mitarbeitern weltweit.
Für die alte Tante ETH war es oft schwierig in den letzten Jahren so eine umtriebige Schwester zu haben, die immer stärker wird und immer mehr Geld abwirbt. Wie ist das Verhältnis zwischen ETH und EPFL heute?
Es gibt eine Konkurrenz zwischen ihnen. Beide Schulen suchen regelmässig nach Subventionen, um ein Fach zu entwickeln. Man freut sich dann natürlich nicht, wenn die andere Schule das Geld bekommt.
Die Konkurrenz ist aber etwas Positives. Sie ermutigt jede Schule, nach der besten Qualität zu suchen. Auf der internationalen Ebene ist die Konkurrenz viel stärker. Da ist die ETH meistens besser in den Ratings. Ausserdem wurden bis heute 21 Nobelpreise an ETH-Forscher vergeben. In Lausanne ist noch kein Nobelpreisträger zu finden, das nervt die EPFL immer wieder!
Das Gespräch führte Christian von Burg.