Wir stehen in Schaffhausen auf dem Stauwehr über dem Rhein. Ein kleiner Teil des Wassers fliesst über das Wehr. Der grosse Rest schiesst unterirdisch durch zwei Turbinen.
Wenn Aale auf ihrem Weg in die Karibik, wo sie sich paaren, vom Bodensee herkommen, schwimmen sie mit der Hauptströmung direkt in die Schaufeln der Turbinen.
Weil die Tiere so lang sind wie grosse Schlangen, werden viele von ihnen von den Schaufeln schwer verletzt. «Nicht alle sind gleich tot», sagt der Präsident des Fischereivereins Schaffhausen, Samuel Gründler.
Schlimme Bilder
Die Aufnahmen der zerhackten, sterbenden Tiere, welche die Fischer im Netz gepostet haben, sind in der Tat kaum zu ertragen. Aber auch wenn ein Teil der Aale unbeschadet durchkommt – kurz danach geht das Gemetzel weiter. Es gibt 20 weitere Flusskraftwerke auf dem Weg in Richtung Meer.
Studien zeigen, dass am Schluss nur eine kleine Prozentzahl der Tiere das Meer erreichen. Unterdessen ist der Aal auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten.
Ein Aal-Taxi als Rettungsversuch
Auf dem Wehr neben Fischer Gründler steht Eva Baier. Sie ist Expertin für Fischwanderungen und hat für den Schweizer Fischereiverband eine Machbarkeitsstudie für ein sogenanntes «Aal-Taxi» verfasst.
Die Idee sei, sagt Eva Baier, die Aale oberhalb eines Kraftwerks zu fangen, über das Land zu transportieren und an einer anderen Stelle wieder ins Wasser zu manövrieren.
Das Schweizer Aal-Taxi soll die Aale von Schaffhausen bis Iffezheim bringen, 150 Kilometer flussabwärts von Basel. Vorher aber müssen sie oben abgefischt oder in Reusen, kegelförmigen Netzschläuchen, gefangen werden.
«Das ist nicht ganz einfach», erklärt Baier, die zusammen mit den Verantwortlichen des Kraftwerks entsprechende Versuche gemacht hat.
Der Aal, ein Rätsel
Noch immer ist ein Teil der Biologie der Aale unerforscht. Was man weiss: Sie schwimmen als Larven von der Karibik her quer über den Atlantik, entwickeln sich dann zu kleinen Glasaale und wandern die Flüsse hinauf. Viele Jahre später, wenn sie dick und lang sind, werden sie zu Silberaalen.
«Es kann bis zu 20 Jahre dauern, bis sie zum Laichen wieder in die Karibik zurückkehren», sagt Eva Baier. Erstaunlich sei ausserdem, dass man bis heute nicht nachweisen konnte, wo genau das stattfinde.
Eingriff ins System
Genauso wenig wisse man, was ein Fischtaxi bewirken könne, sagt Baier: «Was, wenn der transportierte Fisch noch gar nicht am Abwandern war und wieder hoch will? Was, wenn er beim Einfangen oder beim Transport Schaden nimmt?» Das Taxi sei ein Eingriff in ein System, von dem man noch zu wenig verstehe, so die Fischexpertin.
An der Mosel, am Main und am Neckar werden zwar bereits heute tonnenweise Aale per Taxi transportiert. «Die Auswirkungen sind nie richtig untersucht worden», sagt Baier. Deshalb hat der Schweizerische Fischerei-Verband die Idee wieder verworfen. Eigentlich müsse man das Problem grundsätzlich angehen.
Das Problem liegt tiefer
Seit bald zehn Jahren sind die Kantone verpflichtet, ihre Flusskraftwerke so zu sanieren, dass die Fische auf- und absteigen können.
In den USA etwa gibt es bereits Beispiele dafür, wie auch grosse Kraftwerke die Fische mithilfe künstlicher Verwirbelungen so leiten können, dass sie am Schluss durch ein grosses Rohr nach unten gesogen werden, statt durch die Turbine.
«Es ist machbar und per Gesetz müssen die Kraftwerke bis 2030 umgebaut sein», sagt Fischerei-Vereinspräsident Samuel Gründler. «Das Problem ist aber die lange Frist. Man schiebt es auf die lange Bank.»
Finanziert werden die Massnahmen zugunsten der Aale übrigens bereits jetzt durch die Stromkunden. Am Geld also sollte es nicht liegen.