Lukas Villiger klickt sich durch die Ablage auf seinem Computer. Es erscheint ein wildes Gewirr aus Schleifen und Spiralen auf dem Bildschirm. Wie ein Knäuel gebrauchtes Geschenkband sieht das aus.
Das also ist eine «Genschere». Mit ihr hat sich Lukas Villiger, Doktorand am Institut für molekulare Gesundheitswissenschaften an der ETH Zürich, die letzten drei Jahre intensiv beschäftigt.
Er ist nicht der Einzige: «Es gibt weltweit so viele Labore und Menschen, die mit diesem Protein arbeiten – ich finde das super spannend.»
Den Bakterien abgeschaut
CRISPR/Cas – wie die Genschere-Methode heisst – verwenden Forschende, um Erbgut zu «reparieren».
Lukas Villiger arbeitet bereits mit einer weiterentwickelten Version von CRISPR : «Bei unserer Version schneidet das Cas-Protein die DNA nicht mehr auseinander, sondern entwindet den Doppelstrang der DNA an einer bestimmten Stelle. Dort werden dann einzelne DNA-Bausteine ausgetauscht.»
«Tippfehler» im Genom korrigieren
Der Übername «Genschere» stimmt für diese verfeinerte CRISPR-Methode also nicht mehr: Statt die DNA auseinanderzuschneiden, ändert sie gezielt DNA-Bausteine – korrigiert also quasi «Tippfehler» im genetischen Code.
Solche Tippfehler können weitreichende Konsequenzen haben. Verschiedene Erbkrankheiten beruhen auf einem einzigen falschen Buchstaben.
Ein Beispiel ist Phenylketonurie, bei der ein Stoffwechselschritt in der Leber nicht mehr richtig funktioniert. Die Krankheit wird von nur einem Tippfehler im Erbgut der Leberzellen verursacht.
Diesen will Lukas Villiger korrigieren. Dafür braucht er zum einen die genetische Bauanleitung für das verfeinerte CRISPR-Werkzeug. Und zum anderen eine Art «DNA-Adresszettel», die dem CRISPR-Werkzeug den genauen Ort angibt, wo es das Erbgut korrigieren soll.
Virus als trojanisches Pferd
Aber wie gelangen die CRISPR-Anleitung und die DNA-Adresse in die Leberzellen? Die Lösung dafür lagert tiefgekühlt bei minus 80 Grad Celsius im Raum nebenan.
Lukas Villiger öffnet den Tiefkühler und zieht eine Schublade heraus: «Hier drin sind die Viren, mit denen ich arbeite. Sie befallen besonders gern die Zellen in der Leber – und sind drum ein gutes Vehikel, um meine Anleitung einzuschmuggeln.»
Villiger packt die genetische Anleitung in diese Viren und spritzt sie Mäusen, die an einer Mäuse-Form von Phenylketonurie leiden.
Erfolgreiche Versuche mit Mäusen
Und tatsächlich, der Versuch hat Erfolg: «Schon nach vier bis fünf Wochen geht die Menge des schädlichen Stoffwechselproduktes bei den Mäusen zurück.»
Vom Prinzip her funktioniert die CRISPR-Therapie also – zumindest bei Mäusen . Bevor die Therapie aber beim Menschen getestet wird, müssen Villiger und sein Chef, der Mikrobiologe Gerald Schwank, sicher sein, dass die Methode präzise ist.
«Wenn das verfeinerte CRISPR-Werkzeug unerwünschte Veränderungen im Erbgut hervorruft, die zu Tumoren führen, wäre das ein grosses Problem», erklärt Gerald Schwank.
Und dennoch: Gerade jene Erbkrankheiten, die auf einem einzigen «Tippfehler» im Erbgut basieren, sind ein besonders vielversprechendes Anwendungsgebiet für CRISPR.