Die Digitalisierung der Welt nimmt rasant zu. Lange waren wir Menschen und unser Kommunikationsverhalten der alleinige Treiber für diese Datenexplosion. Nun folgt das Zeitalter der digitalen, vernetzten Dinge – das vielzitierte «Internet der Dinge». Was letztlich nichts Anderes ist, als eine riesige Anzahl von Geräten, die von sich aus Daten über ihre Umwelt liefern – ohne unser Zutun.
Datenexplosion und Milliardenmarkt
Doch der Effekt auf die Datenmenge wird gewaltig sein: Die Marktforschungsfirma Gartner schätzt, dass bis 2020, also in nur zwei Jahren, sagenhafte 25 Milliarden neue Geräte neue Daten liefern – und hierbei sind Computer und Mobiltelefone noch gar nicht eingerechnet.
Was es dafür braucht, sind: Sensoren. Sie vermessen die Welt: Dichte, Helligkeit, Feuchtigkeit, Wärme, Bewegung, Lautstärke, Farben, Abstände, Muster.
Und sie sind längst unter uns: Sie hängen an Kandelabern, Verpackungsmaterial, in Abwasserkanälen, Schiffscontainern, Abfallcontainern, Häusern, Lagerhallen, Autos, am Strassenrand.
Wichtig ist, dass die Sensordaten Sinn machen. Vergessen Sie den ewig vernetzten Kühlschrank, der selbständig im Internet Waren bestellt. Es geht um mehr, zum Beispiel:
- Geräte, die millionenfach eine Kühlkette überwachen.
- Nieten in Eisenbahnschienen, die alle paar Meter die Oberflächenspannung am Material messen können.
- Kameras, die jedes vorbeirauschende Gesicht in einer Stadt in Millisekunden erfasst.
- Geräte, deren Sensoren Informationen generieren, die für jemanden von Interesse sein können.
- Geräte, die Prozesse überwachen oder ganz neue Informationen liefern, wo es bisher keine Daten gab.
- Geräte, die zudem kontinuierlich laufen und kaum Energie verbrauchen. Und die alle kabellos kommunizieren, nicht andauernd funken, aber vielleicht alle paar Minuten oder Stunden.
So entsteht eine neue, digital vernetzte Welt – der Milliardenmarkt der Zukunft.
Neue Netze für eine neue Welt
Für die vernetzten Dinge von morgen braucht es eine passende Infrastruktur, die mit diesen Geräte-Daten umgehen kann. Bestehende Funkstandards wie WLAN, 3G/4G/5G, Bluetooth sind bedingt geeignet, da die Geräte in so einem Verbund zu viel Energie verbrauchen, die Reichweite zu gering, die Vernetzung zu aufwändig ist.
Ein neuerer Funkstandard bietet hier eine interessante Alternative: «LoRaWAN», das «Long Range Wide Area Network». Man spricht bei der Technologie generell auch vom «Narrow Band Internet of Things» (NB-IoT).
Klimagas, freie Abwasserkanäle, smarte Städte
Eine einzige «LoRa»-Antenne kann bis zu hundert Kilometer weit senden, Sensorgeräte in diesem Netzwerk können mit einer handelsüblichen Batterie oft über Jahre hinweg autonom laufen.
Der Haken: In diesem Netz können jeweils nur sehr wenig Daten übertragen, und nur in geringer Frequenz. Aber damit lässt sich bereits einiges realisieren, wie drei Beispiele zeigen:
Beispiel 1: CO2-Monitoring
In der Schweiz ist mit Sensoren auf LoRa-Basis das weltweit grösste CO2-Monitoring-Netz entstanden – in nur zwei Jahren: An über 300 Standorten in der Schweiz misst ein kleiner Kasten den CO2-Gehalt, Temperatur, Luftfeuchtigkeit vor Ort. Mittelfristig geht es darum, die CO2-Verteilung besser zu erfassen und vielleicht künftig auch Klimatreiber zu identifizieren. Betrieben wird es von der Swisscom, der Empa und der Firma Decentlab.
Beispiel 2: Urban Water Observatory
Das Wasserforschungsinstitut Eawag vermisst mit LoRa-Technik Abwasserkanäle: Feuchtigkeitssensoren zeigen glasklar an, wann ein Kanal zu überfluten beginnt. Die Sensoren sind vernetzt und kommunizieren die Informationen über unterirdisch angebrachte LoRa-Sender kabellos zur Oberfläche.
Beispiel 3: Smart City
In diversen Projekten werden LoRa-Sensoren zur Digitalisierung von Innenstädten genutzt. Solche Sensoren zeigen etwa an, welche Parkplätze besetzt sind, wie hoch der Füllstand von Abfallcontainern ist oder der Lärmpegel an einer Hauswand. Sie messen den Personenfluss an einer Ecke, verfolgen Temperaturschwankungen entlang des Fernwärmenetzes oder zeigen an, ob am Flussufer Rettungsringe fehlen.
Mit LoRa-Sensoren sollen ganze Städte für die Zukunft smart werden: «Smart City» ist ein grosser Treiber für das «Internet der Dinge». Grössere Pilot-Projekte laufen bereits in Dublin, Singapur oder Shenzhen, aber auch Schweizer Städte interessieren sich dafür.
Offener Standard für alle
Der LoRa-Standard wird von der LoRa-Alliance zusammengehalten, einer unabhängigen Non-Profit-Allianz von über 500 Mitgliedern aus der Industrie.
Er ist zudem offen, das heisst, jeder kann die Technologie nutzen; kann sich eine Antenne oder einen Sensor bauen und Teil des Netzes werden.
Die Idee der freien Netz-Community kommt ursprünglich aus Holland und nennt sich «The Things Network». Sie breitet sich seit 2015 aus und schart auf der ganzen Welt Communities um sich. Mit über 100 aktiven LoRaWAN- Antennen ist Zürich gar die grösste Community weltweit. Für die Netz-Enthusiasten ist der offene Standard ein Muss, um technische Monopole zu verhindern und den freien Zugang zur Technologie zu gewähren.
«LoRaWAN» kann aber auch gezielt von Firmen genutzt werden: Diese können mit eigenen Sendern und Services eine Art Firmen-Netz auf dieser Technologie aufbauen. Die Swisscom betreibt unter dem Namen LPN (Low Power Network) das grösste LoRa-Firmen-Netz in der Schweiz, mit über 800 Knoten.