Die Zahl der Tuberkulose-Erkrankungen geht weltweit zurück. Gleichzeitig erkrankt eine halbe Million Menschen pro Jahr an Tuberkulose-Stämmen, gegen die kaum noch ein Antibiotikum hilft. SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel sieht Handlungsbedarf: Es werden dringend neue Therapien gebraucht.
SRF: Tuberkulose ist bei uns fast verschwunden, ärmere Länder dagegen kämpfen nach wie vor mit ihr. Ist Tuberkulose eine Krankheit der Armen?
Katrin Zöfel: Die Lebensbedingungen spielen eine grosse Rolle. Hygiene, der Lebensstandard, ein gesünderes Leben sind wichtige Faktoren dafür, dass Tuberkulose hierzulande kaum noch eine Rolle spielt.
Ganz anders sieht das in Osteuropa, in Afrika und in Asien aus. Dazu kommt, dass es auch an ganz Grundlegendem hapert: Viele Fälle bleiben unentdeckt, und die Therapien, die es gibt, sind alles andere als ideal.
Bekommen die Menschen also nicht die Hilfe, die sie bräuchten?
Nehmen wir das Beispiel multiresistente Tuberkulose. Das sind pro Jahr etwa 500’000 neue Fälle weltweit. Es gibt eine Therapie, aber die besteht aus einer Kombination von vier Antibiotika. Das ist extrem strapaziös, und hilft nur in etwa 60 Prozent der Fälle.
Lange wusste man gar nicht so genau, wie viele Tuberkulose-Fälle es eigentlich gibt.
Strapaziös heisst in dem Fall nicht nur, dass die Therapie die Patienten schlaucht: die Nebenwirkungen sind heftig, es gibt Spätfolgen. Viele Menschen werden taub durch die Therapie.
Lange Zeit gab es da überhaupt keine Verbesserung. Erst jetzt, durch zwei neue Antibiotika, könnte sich etwas ändern.
Warum passiert gerade jetzt etwas?
Ein Grund ist, dass jetzt allmählich das Ausmass des Problems klarer wird. Lange wusste man gar nicht so genau, wie viele Tuberkulose-Fälle es eigentlich gibt.
Es braucht bessere, vor allem billigere diagnostische Tests.
Viele Fälle blieben undiagnostiziert, erst seit ein paar Jahren gibt es bessere Tests. Noch schwieriger ist die Diagnose einer multi-resistenten Tuberkulose. Da bekommt man erst jetzt langsam bessere Zahlen. Und deshalb wird jetzt für die Pharmaunternehmen langsam klar, wie gross der Markt wäre, wenn sie etwas Neues bieten können.
Zudem dachte man lange, die Patienten mit einer resistenten Tuberkulose seien selber schuld: Sie hätten sich die Resistenzen quasi selber gezüchtet, weil sie die Therapie nicht richtig eingenommen hätten. Das ist falsch. Nach einigem Zögern hat das auch die Weltgesundheitsorganisation ein.
Reicht das, was jetzt in Gang kommt?
Es kommt drauf an, wen man fragt. Die Weltgesundheitsorganisation feiert jetzt natürlich in ihren Statements. Aber Vertreter von «Ärzte ohne Grenzen» reagieren fast schon zynisch, weil ihnen das alles viel zu langsam geht.
Und die Forscher, mit denen ich gesprochen habe, sagen mir, dass die ungelösten Probleme noch endlos sind.
Was muss denn noch kommen?
Zwei neue Antibiotika reichen nicht. Auch gegen die werden sich Resistenzen bilden, und dann braucht man Alternativen. Dann braucht es bessere, vor allem billigere diagnostische Tests, die man auch irgendwo weit ab von urbanen Zentren einsetzen kann. Die Tests bisher sind zu teuer, und zu kompliziert.
Das langfristige Ziel wäre eine Impfung, ohne die ist der Kampf gegen Tuberkulose eigentlich chancenlos. Da weiterzukommen ist offenbar noch schwieriger, als eine Impfung gegen Malaria oder HIV hinzubekommen. All diese Punkte konnten Forscher bisher nicht angehen, weil ihre Arbeit hoffnungslos unterfinanziert war.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.
Sendung: Radio SRF 1, Rendez-vous, 27.9.2018, 12:30 Uhr