Das Wichtigste in Kürze
- Mit genetischen Analysen konnte eine neue, dritte Orang-Utan-Art nachgewiesen werden: der Tapanuli-Orang-Utan.
- Er lebt im Indonesischen Wald Batang Toru. Dieser ist gefährdet – und mit ihm seine Bewohner. Der Tapanuli-Orang-Utan gilt als vom Aussterben bedroht.
- Der Lebensraum des Tapanuli-Orang-Utan wird von einem Wasserkraftwerk, einer Holzkonzession und der Jagd gefährdet.
Wir Menschen haben einen neuen Verwandten. Er hat ein rostrotes Fell, lebt auf Regenwaldbäumen auf der indonesischen Insel Sumatra und heisst mit wissenschaftlichem Namen Pongo tapanuliensis.
Eine neu entdeckte Menschenaffenart, die im amerikanischen Wissenschaftsmagazin «Current Biology» erstmals beschrieben wird.
Bisher glaubte man, es gebe nur zwei Orang-Utan-Arten. Eine auf Sumatra, die andere auf Borneo. Jetzt aber konnte mit genetischen Analysen bewiesen werden: Es gibt eine dritte Art. Neben zwei Gorilla-Arten, dem Schimpansen und dem Bonobo existiert neu eine siebte Menschenaffenart.
Kaum entdeckt, schon bedroht
Es handelt sich auch ein bisschen um einen Schweizer Menschenaffen. Denn die Schweizer Umweltorganisation PanEco und das anthropologische Institut der Universität Zürich stehen im Mittelpunkt der weltweiten Orang-Utan-Forschung.
An der Uni Zürich liefen alle Fäden dieser Studie zusammen. Vom neu entdeckten Menschenaffen gibt es gerade noch etwa achthundert. Kaum entdeckt – und schon ist da die Angst vor dem endgültigen Aussterben.
Forscherglück im Unglück
Wie kam es zur Entdeckung des Tapanuli-Orang-Utan? Dass es sich bei den Orang-Utans im Wald von Batang Toru um eine neue Menschenaffenart handeln könnte, wurde länger diskutiert. Doch es fehlte der Beweis.
Ein Unglück bescherte dann das Forscherglück. Zufällig kam vor einigen Jahren ein toter Orang-Utan aus der Gegend in die Hände von Wissenschaftlern. Das Tier wurde erschossen aufgefunden.
Erst der Schädel und die Zähne des getöteten Menschenaffen beseitigten letzte Zweifel, sagt der Evolutionsbiologe Michael Krützen von der Universität Zürich. Er ist einer der Hauptautoren der Studie und Teil des vierzigköpfigen Teams, das am Projekt forscht.
Rostrot behaart
«Die neue Art unterscheidet sich hauptsächlich in Zahn- und in Schädelmerkmalen. Das sind Grössenunterschiede, die eine Rolle spielen», erklärt Krützen. «Ihr Verhalten und ihre Laute sind anders als bei anderen Arten. Auch genetisch sind sie anders.»
Die Analyse des Erbgutes ist neben äusseren Merkmalen die wichtigste Methode, um eine neue Art zu bestimmen. Die DNA zeigt bisher lediglich zwei Orang-Utan-Arten. Jene von Sumatra und die andere von Borneo.
Für Laien sieht er aus wie seine Artgenossen. Was den rostrot Behaarten im Wald von Batang Toru zur eigenen Art macht, sind vor allem innere Werte.
Über Jahre genetisch isoliert
«Das wichtigste Argument ist», erklärt Krützen. «Dass wir durch genomische Analysen zeigen konnten, dass diese Population in Batang Toru seit 10'000 bis 20'000 Jahren genetisch komplett isoliert ist.»
Auf Sumatra und Borneo gebe es Orang-Utans schon seit weit über drei Millionen Jahren, sagt Krützen: «Das ist auch, was unsere Daten zeigen. Die neuen Artgenossen scheinen direkte Nachkommen der allerersten Orang-Utans zu sein, die nach Sumatra gekommen sind.»
Sämtliche Menschenaffenarten gelten als vom Aussterben bedroht. Die Schweizer Umweltstiftung PanEco ist im Auftrag des indonesischen Staates für den Schutz der Orang-Utans auf Sumatra zuständig und betreibt dort Forschungsstationen.
Ungeschützt und gefährdet
«Wir haben gerade ein grosses Problem mit einem geplanten Wasserkraftwerk», sagt Irena Wettstein, Mitarbeiterin von PanEco. Sie ist besorgt um den Lebensraum der neuen Affenart.
Erste Bauarbeiten haben bereits begonnen. Werden sie vollendet, würden sie Lebensräume der Tiere trennen. «Bei 800 zurückgeblieben Tieren ist das eine grosse Katastrophe», erklärt Wettstein.
Das Überleben der Menschenaffen wäre mit dem Bau gefährdet und die entzweiten Populationen nicht mehr gross genug, um genügend Nachwuchs zu produzieren.
Ausgerechnet den kleinen Waldteil mit dem Kraftwerk hat der Staat nicht geschützt. Nicht nur das Kraftwerk bedroht den neuen Menschenartigen, auch eine Holzkonzession und eine riesige Goldmine gefährden den Lebensraum von Batang Toru.
DNA gleicht zu 97% der unseren
«Eine grosse Gefahr sind die Menschen. In umliegenden Dörfern wurden einige tausend befragt. Es kam raus, dass achtzig Prozent der Bevölkerung jagt», sagt Wettstein. «Und zwar Orang-Utans, Sumatra-Tiger und andere Tierarten.»
Eine stark wachsende Bevölkerung rund um den betroffenen Wald, gepaart mit Holztransportwegen und Wegen zur Mine und zum Kraftwerk fördern das Zerstörungspotential.
Jetzt soll der Tapanuli-Orang-Utan selber helfen, sein Gebiet zu schützen. Man hofft, dass er weltweit eine grosse Prominenz und Strahlkraft erlangt, sodass sich der indonesische Staat hütet, dieses Ökosystem und damit den neu entdeckten Menschenaffen zu zerstören. Samt einem Tier, das genetisch zu 97 Prozent die gleiche DNA hat wie wir.
Sendung: Radio SRF 4 News, Echo der Zeit, 2.11.2017, 18.00 Uhr