Ausgestattet mit Miniatursendern, sollen Tiere für uns die Welt auskundschaften. Das ist das Ziel des Forschungsprojekts Icarus.
Projektleiter Martin Wikelski erhofft sich von den gesammelten Daten nicht nur Einblicke in die Wanderrouten der Tiere, sondern auch Informationen zu Naturkatastrophen, zur Verbreitung von Krankheiten oder zum Klimawandel.
SRF: Seit fast 30 Jahren erforschen Sie die Wanderung von Tieren rund um die Erde. Weshalb tun Sie das?
Martin Wikelski: Wir denken, dass wir von Tieren sehr viel über die Welt erfahren können. Denn Tiere sind die besten Beobachter unseres Planeten.
Was wollen Sie von Tieren lernen?
Zum Beispiel, wo Krankheiten ausbrechen. Oder wo wir Tiere schützen müssen. Wir wollen aber auch die Schwarmintelligenz der Tiere weltweit nutzen, um zum Beispiel Naturkatastrophen besser vorherzusagen.
Wir wollen die Schwarmintelligenz der Tiere nutzen, um Naturkatastrophen vorherzusagen.
Am Ätna zum Beispiel können uns Ziegen sagen, wann der Vulkan ausbricht – und zwar im Moment wohl besser und mit einer längeren Vorwarnzeit als technische Systeme.
Wie können die Ziegen uns einen Ausbruch voraussagen?
Vor einem Vulkanausbruch gehen sie in bewaldete Gegenden, wo sie sich sonst ganz selten aufhalten. Das tun sie etwa vier bis sechs Stunden vor einem Ausbruch. Wir gehen davon aus, dass ihnen das aufsteigende Magma ein Signal gibt.
Haben denn Ziegen und andere Tiere einen sechsten Sinn?
Man kann das auch Schwarmintelligenz nennen. Das Interessante ist, dass ein Kollektiv von Tieren Dinge empfinden kann, die ein einzelnes Tier nicht empfindet. In diesem Sinne gibt es einen sechsten Sinn.
Wie präzise sind die Vorhersagen?
Die Ziegen haben jeden grossen Ausbruch vorhergesagt. Wir haben das Prinzip auch bei Erdbeben getestet. Hier haben Tiere sieben von acht Erdbeben korrekt vorausgesagt. Das ist schon relativ gut.
Tiere lügen nicht. Sie sagen uns über ihr Verhalten, was draussen los ist.
Aber wir glauben, dass die Voraussagen noch besser werden. Denn Tiere lügen nicht. Sie sagen uns über ihr Verhalten, was draussen los ist.
Gibt es noch andere Tiere, die als Frühwarnsysteme funktionieren könnten?
Störche können uns als Kollektiv zum Beispiel sagen, wo der nächste Wanderheuschrecken-Schwarm ausbricht. Die Störche sammeln sich nämlich dort, wo die jungen Heuschrecken aus dem Boden kommen.
Störche sagen uns aber auch, wo es Abfalldeponien gibt. Oder wie sich das Klima verändert. Wir sehen zum Beispiel, dass mehr Störche südlich der Sahara bleiben und nicht mehr nach Südafrika weiterziehen.
Wie ist es mit Krankheiten und Seuchen? In Afrika sollen Daten von Flughunden bei der Prävention von Ebola helfen.
Flughunde haben den schlechten Ruf, sie würden Ebola verbreiten. Das scheint aber nicht so zu sein. Sie können aber mit Ebola in Berührung kommen und tragen dann Antikörper im Blut.
Finden wir diese Antikörper bei einem Flughund, dann wissen wir, dass er Kontakt zum Ebola-Wirt gehabt haben muss. Aus dem Bewegungsmuster des Tieres können wir ableiten, in welcher Gegend der Ebola-Wirt sitzen könnte.
Das Gespräch führte Kathrin Hönegger.