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Wirksame Waldbrandbekämpfung Erhöhte Waldbrandgefahr: Was die Schweiz vom Tessin lernen kann

Mit dem Klimawandel steigt das Waldbrandrisiko – gerade in der Schweiz. Im Tessin weiss man, was es für den Ernstfall braucht.

Bei der Bekämpfung von Waldbränden macht dem Tessin so schnell niemand etwas vor. Der Schweizer «Hotspot» zählte rund 6305 Brände alleine in den vergangenen rund 100 Jahren. Während es im Kanton Zürich im selben Zeitraum gerade einmal knapp 40 waren.

Doch das eigentlich Interessante ist: Im Tessin sind seit den 1990er-Jahren sowohl die Anzahl der Waldbrände wie auch das Ausmass der verbrannten Flächen massiv zurückgegangen – trotz der immer stärker spürbaren Auswirkungen des Klimawandels.

Dem gegenüber steigen die Waldbrandzahlen in der Zentralschweiz, dem Mittelland und Jura gerade jetzt markant. Was also macht das Tessin besser oder zumindest anders?

Tessiner Erfolgsgeschichte

Das Tessin ist zu über 50 Prozent bewaldet – ein grosser Teil davon ist Schutzwald, der die Dörfer und Städte in den Tälern vor Lawinen und Murgängen bewahren soll.

Gehen solche Flächen durch Brände verloren, müssen die Hänge durch teure technische Massnahmen gesichert werden, bis der Schutzwald nach 20 bis 30 Jahren wieder nachgewachsen ist. Um dem entgegenzuwirken, hat der Forstdienst Tessin gerade in den vergangenen 30 Jahren stark in den Ausbau seines Waldbrand-Managements investiert.

Gemeinsam mit den Experten der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) um den Forstingenieur Marco Conedera entwickelte der Kanton ein Konzept, das speziell auf die Anforderungen und Besonderheiten des Tessins zugeschnitten ist und auch in Zukunft immer weiter verbessert werden soll.

Ein Mann mit Brille in der Natur.
Legende: Einer der Masterminds des Tessiner Waldbrand-Managements: Forstingenieur Marco Conedera. SRF / Jo Siegler

Hauptursache: Mensch

Die Grundlage für das Tessiner Waldbrand-Management ist eine seit über 130 Jahren akribisch geführte Dokumentation.

Sie zeigt, dass die mit Abstand meisten Brände nicht von Blitzschlägen herrühren, sondern von Menschen entfacht werden – teils absichtlich, teils unabsichtlich. Zum Beispiel durch das Verbrennen von Grünschnitt, eine achtlos weg geworfene Zigarette oder durch das sprichwörtliche Cervelat-Feuer auf der Wanderung.

Ausgestattet mit diesem Wissen setzt der Kanton auf Prävention. Immer wieder gibt es Aufklärungs-Kampagnen – vor allem an Schulen – für einen sorgsamen Umgang mit der Natur und dem Wald sowie das richtige Verhalten, wenn die Brandgefahr besonders hoch ist.

Mehr Waldbrände in der Schweiz – die Gründe und Ursachen

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Die Schweiz als geographische Extremregion reagiert stärker auf den Klimawandel als andere Regionen Mitteleuropas. Die mittleren Temperaturen der Schweiz sind seit der Mitte des 19. Jahrhunderts um 1.8°C gestiegen.

Damit verbunden, so prognostizieren Experten des Schweizer Forums für Klima und globalen Wandel ProClim, steige auch das Risiko für langanhaltende Trockenheit und häufigere extreme Unwetter mit Blitzschlag. Entsprechend wird künftig die Gefahr durch verheerende Waldbrände weiter zunehmen.

Nach Modellen der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) könnte in den kommenden Jahrzehnten in den Südalpen die Zahl der Tage mit akuter Waldbrandgefahr von heute etwa 40 auf bis zu mehr als 70 steigen.

Besonders besorgniserregend ist dabei, dass sich auch in den Regionen nördlich der Alpen – in der Zentralschweiz, dem Mittelland und Jura – die Zahl der Tage mit akuter Brandgefahr im Vergleich zu heute sogar mehr als verdoppeln könnte.

Die klimatische Entwicklung der vergangenen Jahre hat bereits dazu geführt, dass neben den traditionell brandanfälligen Nadelbäumen nun auch vermehrt Buchenwälder in Brand geraten.

Die Brandursache lässt sich bisher allerdings nur vergleichsweise selten dem Wetter zuschlagen. Die Schweizer Waldbrand-Datenbank zeigt, dass im Tessin gerade die Waldbrände der Wintermonate ausschliesslich von Menschen gelegt werden – sei es aus Unachtsamkeit oder absichtlich. Nur im Sommer, vor allem in den Monaten Juli und August, verursachen Blitzschläge mehr als die Hälfte der Waldbrände.

Perfekt abgestimmtes Netzwerk

Überwacht und gesteuert wird das Tessiner Waldbrand-Management von Forstingenieur Christian Gobbin. Im Auftrag des Forstdienstes behält er sowohl die aktuellen Meteo-Dienste im Auge, wie auch «FireNiche» – eine von der WSL entwickelte Software.

«Der grosse Vorteil ist, dass ‹FireNiche› an unsere Region angepasst wurde. Dass es auf historische Daten der letzten Jahre zugreift und uns damit das aktuelle Waldbrand-Risiko berechnet.» Neben den historischen Daten werden die aktuelle Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeit einbezogen, um die Gefahr zu berechnen.

Sobald sich «FireNiche» auf die Gefahren-Stufen 4 oder 5 erhöht, hält Christian Gobbin telefonisch Rücksprache mit den Förstern vor Ort, die ihm ihre Einschätzung der Gefahrenlage mitteilen.

Erst dann fällt er seine endgültige Entscheidung und veröffentlicht über die Homepage des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) eine entsprechende Waldbrand-Gefahrenstufe, die mit einem absoluten Feuerverbot im Freien einhergehen kann.

EIn Wasserbecken vor malerischer Bergkulisse.
Legende: Immer voll – für den Fall der Fälle: Ein Löschwasserbecken im Wald bei Santa Maria in Calanca. Keystone / GAETAN BALLY

Netz von Wasserbecken und Hydranten

Sobald eine neue Warnstufe ausgerufen wird, reagieren die auf Waldbrände in schwierigem Gelände spezialisierten Gruppen der Tessiner Feuerwehr mit erhöhter Alarmbereitschaft.

Eigens für sie wird gerade das Netz von Hydranten ausgebaut, wo immer ein Anschluss an die Wasserversorgung möglich ist. Die Position der Hydranten in der Nähe von gefährdeten Waldgebieten ist für die Feuerwehr jederzeit auf einer speziellen App ablesbar.

Für die seit Jahrzehnten bewährte Helikopter-Unterstützung entstehen zusätzlich zu den bisher bestehenden etwa 40 Löschwasserbecken künftig noch weitere. Mit ihrer Hilfe lässt sich die Ladezeit für Löschwasser für Brände im Hochgebirge extrem reduzieren. Denn der weite Flug zu den Seen weit unten im Tal entfällt.

Ein Löschhelikopter im Einsatz.
Legende: Mehr Löschbecken bedeuten weniger Kosten für den Einsatz von Helikoptern (hier im Misox). Keystone / Gabriele Putzu

Hohe Baukosten, niedrige Folgekosten

Der Bau eines einzigen Löschwasserbeckens verschlingt mitunter weit über 100‘000 Franken. Doch Marco Conedera, der das Projekt für das WSL seit Jahren begleitet, sieht darin eine lohnende Investition.

«Das sind sehr kostspielige Infrastrukturen», sagt Conedera. Sie seien aber wichtig für die Effizienz der Waldbrandbekämpfung, damit die Waldbrände möglichst klein blieben. So spare man sich alle Folgeschäden, die viel mehr kosteten.

Mit einer kleinen Studie konnten die Tessiner Waldbrandmanager nachweisen, dass bereits ein einziger Einsatz ausreicht, um die Investition für ein Löschwasserbecken zu amortisieren – vor allem durch die eingesparten Helikopter-Kosten.

Rauch über einem Wald.
Legende: Waldbrand bei Bellinzona (24. Oktober 2018). Tatsache ist: Im Tessin brennt es immer seltener. Keystone / ALESSANDRO CRINARI

Vorbild für andere Kantone

Das Tessiner Waldbrand-Management ist bisher einzigartig in der Schweiz – doch in Zeiten des Klimawandels, wenn intakte Wälder für Mensch und Natur immer wichtiger werden, könnte es ein Vorbild sein – vor allem für Kantone, die bisher noch wenig Erfahrung mit Waldbränden haben.

Ratsam wäre es allemal, denn auch in der Zentralschweiz, dem Mittelland und dem Jura ist es nach Berechnungen des WSL sehr gut möglich, dass sich in einigen Regionen die Zahl der Tage mit akuter Waldbrandgefahr pro Jahr schon bald mehr als verdoppelt.

Sendung: SRF 1, Nano, 27.8.2020, 10:40 Uhr

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