Kaltgebiete
Eine besondere Geländeform, die sogenannte Doline und deren Höhenlage, sind die wesentlichen Voraussetzungen für extrem tiefe Temperaturen.
Schweiz
Nahezu auf den Tag genau vor 30 Jahren wurde in La Brévine mit -41,8 Grad die tiefste Temperatur in einem bewohnten Gebiet gemessen. Der niedrigste Temperaturwert von -52,5 Grad wurde am 7. Februar 1991 auf der Glattalp notiert. Am Waadtländer Jura, in Combe des Amburnexis, beträgt der absolute Tiefstwert -47 Grad. In bekannten Schweizer Kältepolen wie auf Buffalora, in Samedan, in Ulrichen oder in Andermatt werden im Winter immer wieder eisige -35 bis -20 Grad erreicht.
Deutschland
Der deutsche Kälterekord stammt vom Funtensee auf 1601 m ü. M. (Nationalpark Berchtesgaden). Das Thermometer zeigte am 24. Dezember 2001 -45.9 Grad. Aus dem Schwarzwald (Albstadt-Degerfeld) ist mit -36,1 Grad die bisher tiefste Temperatur Baden-Württembergs bekannt.
Italien
In der Doline Busa Nord di Fradusta auf 2607 m ü. M. sank am 10. Februar 2013 die Temperatur auf -49,6 Grad.
Slowenien
In einer Geländemulde Mrzla Komna auf 1592 m ü. M zeigte am 9. Januar 2009 das Thermometer -49,1Grad.
USA
Im Bundesstaat Utah in der Senke Peter Sink auf 2500 m ü.M. kühlte am 1. Februar 1985 die Luft auf -56,3 Grad ab.
Österreich
Über einer Doline in den niederösterreichischen Voralpen, dem Grünloch, lag im Zeitraum zwischen dem 19. Februar und dem 4. März 1932 polare Kaltluft. Von den Messgeräten wurde damals mit -52,6 Grad die bisher tiefste Temperatur Mitteleuropas registriert. In den vergangenen 90 Jahren sackte an diesem Ort die Temperatur insgesamt 8 mal unter -50 Grad!
Wo wird es am kältesten?
Damit es extrem kalt werden kann, muss die Luftmasse über der Mulde polaren Ursprungs und sehr trocken sein.
Im Prinzip gilt: je weiter oben die Doline liegt, umso höher ist die Chance für einen Tiefsttemperaturrekord. Je nach Gelände können aber Höhenwinde und die von umgebenden Hänge abfliessende Kaltluft die Strahlungsabkühlung stören.
Die Horizontüberhöhung und der daraus resultieren Schattenwurf sind ebenfalls entscheidente Elemente. Auch die Schneeauflage, geringe Luftfeuchtigkeit (wolkenfrei) und wenig bis kein Wind sind sehr wichtig. Bei solchen Verhältnissen kann auch bei uns in Mulden die Luft im Winter gegen -50 Grad abkühlen. Dabei sind Temperaturamplituden (Differenz zwischen Höchst- und Tiefsttemperatur) von 40 Grad möglich.
Die perfekte Kälteschüssel
Das Gelände sollte eine Pfannenform aufweisen. Sie muss tief genug sein damit sie in der kalten Jahreszeit nicht vom Schnee zu geweht wird oder der Wind den seichten Kaltluftsee wegpustet.
Grosse Temperaturunterschiede
Die Messungen im Bereich Grünloch (Niederösterreich) zeigen, dass am Messpunkt die Tiefstwerte im Schnitt 25 Grad tiefer sind als in der unmittelbaren Umgebung der Doline.
Temperaturverlauf
Sobald die Sonnenstrahlen nicht mehr den Grund der Doline erreichen, bildet sich eine bodennahe Kaltluftschicht aus. Je dunkler der Schattenwurf durch die umliegenden Berge wird, umso mächtiger wird der Kaltluftsee.
Grosse vertikale Temperuränderung
Bewegt man sich im Kaltluftsee nach unten, wird es schlagartig kälter. Die Temperatur ändert sich um 30 Grad pro 100 Meter. Es sind sogar vertikale Temperaturänderungen (Gradienten) von einem Grad pro Meter möglich.
Blitzartig kälter
Zu Beginn ist die Abkühlungsrate enorm. Im Winter kann es während einer Stunde um bis zu 8 Grad kälter werden. Das Temperaturminimum wird somit bereits nach 3,5 Stunden erreicht. Klart es in einer anfangs bedeckten Nacht nur für wenige Stunden auf, wird am Grund der Doline rasch das entsprechende Minimum erreicht.
Im Flachland dauert dies bei idealen Vorrausetzungen (Strahlungsnacht) etwa doppelt so lange.
Kaltluft bildet sich neu
Im Gegensatz zum Mittelland kann die Kaltluft in Geländemulden tagsüber verschwinden. Sind zum Beispiel die Nadelbäume in der Umgebung schneefrei, entsteht eine lokal begrenzte thermische Zirkulation. Sie löst kleinere Kaltluftseen auf. Ändert sich die Wetterlage nicht, füllt sich spätestens mit dem Sonnenuntergang der Kaltluftsee wieder.
Meteorologische Faktoren
Während einer Schönwetterperiode wird meist schon in der ersten klaren Nacht die tiefste Temperatur erreicht. In der darauf folgenden Nacht wird es an der Station Grünloch trotz tieferer Ausgangstemperaturen nicht mehr kälter.
Das kann einerseits durch die Setzung einer vorhandenen Schneedecke und andererseits durch den höheren Wärmestrom vom Erdboden her verursacht werden. Auch das „Altern“ der Luftmasse in einem mehrere Tage andauernden Hoch spielt eine Rolle.
Ablagerung von Tau oder Reif, die vorübergehende Bildung von Bodennebel sowie Polarschnee beeinflussen den Abkühlungsprozess.
Rekordkälte?
Die Winterkälte über Europa wird sich in der kommenden Woche verschärfen. Der Wind, die Wolken- und Hochnebelfelder lassen in der Schweiz keine neuen Rekorde der absoluten Tiefstwerte erwarten.
Quellen: Universität Wien: Professor M. Dorninger, https://kaltluftseen.ch