1. Basel tickt anders
Dass das auch wörtlich gemeint ist, sehen Sie, wenn Sie vor dem Basler Münster stehen: Am rechten Turm (Martinsturm) befindet sich eine Sonnenuhr. Die Uhr geht eine Stunde vor.
Der Grund: Basel hatte während 400 Jahren seine eigene Zeit. Diese Zeit galt bis ins Jahr 1798, mit der Gründung der helvetischen Republik. Die Uhren in Basel zeigten beim höchsten Sonnenstand nicht etwa 12 Uhr an, sondern 1 Uhr. Man zählte also nicht die abgelaufene Stunde, sondern die erste, anbrechende Stunde. Das hat mit den Horen – den Gebetszeiten – zu tun. Diese wurden auf die modernen Stunden übertragen.
2. Pssssst - ghörsch mi?
Die Baslerinnen und Basler kennen ihn, den «Flüsterbogen». Wenn Sie vor dem Münster stehen, sehen Sie unter dem linken Turm (Georgsturm) eine Türe mit einem Rundbogen.
Wenn Sie auf der einen Seite etwas in den Bogen hinein flüstern, wandert das Gesagte im Rundbogen auf die andere Seite und nur Ihr Gegenüber hört alles Wort für Wort. Der Grund: Der sogenannte «Flüsterspiegel», der den Schall bündelt, und die (Flüster-) Wellen so weitergibt.
3. Ansichtssache
Am Georgsturm (links) sind an den Kanten die heiligen drei Könige angebracht. Würde man direkt vor ihnen stehen, wären die Köpfe überproportional lang und gross. Eine Frage der Perspektive! Denn von unten gesehen, sind die Proportionen stimmig. Da haben die Macher Köpfchen bewiesen!
4. Der Kreuzgang: Miese Frauenquote
Hier im Kreuzgang liegt die Oberschicht begraben. Der Kreuzgang als Grabstätte war in Basel bis ins 19. Jahrhundert gang und gäbe. Allerdings war er nur Geistlichen, Ratsherren, Grosskaufleuten etc. vorbehalten.
Die Gedenktafeln im Kreuzgang sind nur Männern gewidmet. Mit einer Ausnahme: Das Epitaph von Barbara Vogelmann. Ihr Mann – der damals berühmte Doktor und Botaniker Caspar Bauhin – war offensichtlich sehr fortschrittlich und liess eine Gedenktafel für sie anfertigen.
Die Worte auf dem Stein (übersetzt aus dem Lateinischen): «Eine Frau voller Vornehmheit, Zucht und Menschlichkeit, (...) welche ihren Gatten innig liebte, Armen und Verbannten mit einzigartiger Freigebigkeit begegnete.» Weiter werden hier ihre «schlimmen Schmerzen» und «ihr Todeskampf» erwähnt. Sie starb mit 33 Jahren. «Unter Tränen und Trauer» hat ihr Mann dieses Denkmal errichtet.
5. Finde den Fehler
Da hat sich der Schreiber wohl einen Scherz erlaubt – oder er hat sich «verhauen». Auf dem Epitaph des Basler Theologen Peter Werenfels (1627 – 1703) hat der Steinmetz geschrieben: MDCCIM (2699). Er würde also erst in ein paar hundert Jahren sterben. Richtig wäre: MDCCIII (1703).
(Quelle Punkte 4 und 5: Andreas Pronay - Die lateinischen Grabinschriften in den Kreuzgängen des Basler Münsters, Schwabe Verlag Basel)
6. Die Münstertürme: Unterschiedlich hoch
Die Münstertürme sind nicht gleich hoch. Der Martinsturm ist 65,5 Meter hoch und damit 1,8 Meter niedriger als sein Gegenüber, der Georgsturm. Warum?
Im «Basler Stadtbuch» aus dem Jahr 2000 heisst es, dass der niedrigere Martinsturm ursprünglich dieselbe Höhe hätte erreichen sollen wie der Georgsturm. Denn die Form der Kreuzblume – also der Abschluss des Spitzes am Turm – endet beim niedrigeren Turm nicht wie bei seinem Gegenüber in einem Knopf.
Man nimmt darum an, dass dort noch eine weitere Kreuzblume hätte platziert werden sollen. Weil die Verantwortlichen aber Angst hatten, der Martinsturm müsste eine zu grosse Last tragen – eine Kreuzblume wiegt rund 2 Tonnen und hat eine Seitenlänge von 1,6 Meter – wurde darauf verzichtet.
7. Das mächtige Orgelregister als Kulturerbe
Die Orgel stammt aus dem Jahre 2003. Ihre Vorgängerin – die Baslerinnen und Basler waren nicht wirklich zufrieden mit ihr, weil sie falsche Töne spukte – wurde nach Moskau ausrangiert.
Ein Stück der Orgel musste aber in Basel bleiben: Das Register Nr. 65 Prinzipalbass 32 Fuss. Eine 10 Meter (!) hohe Flöte aus Holz aus dem Jahre 1850. Ein vibrierender Bass, am Radio kaum hörbar. Das riesige Stück darf die Schweiz nicht verlassen, da es zum Schweizer Kulturerbe gehört.
8. Tausend Jahre? Wohl noch älter. Oder jünger?
Es heisst, 2019 wird das Münster 1000 Jahre alt. Aber es scheint, dass die Organisatoren eher nach einer runden Zahl in der Münstergeschichte gesucht haben. Die 1000 Jahre wurden nämlich ab der Weihung des Münsters im Jahre 1019 gezählt. Im 9. Jahrhundert stand dort aber bereits ein Münster, das sogenannte «Haito-Münster». Heute sind davon nur noch Mauerreste im Boden vorhanden:
Das «Haito-Münster» wurde wahrscheinlich zwischen 805 und 823 gebaut. Haito war ein Bischof von Basel und der Bauherr des ersten Münsters. Wenn man es also genau nimmt, ist das Münster etwa 1200 Jahre alt. Allerdings hatte das «Haito-Münster» optisch kaum etwas mit dem heutigen Münster gemeinsam.
Das war rund 500 Jahre später anders: Das Münster wurde bis dahin vier Mal umgebaut. Am 23. Juli 1500 wurde die Kreuzblume am Martinsturm aufgesetzt – das Münster sah dann in etwa so aus wie das heutige.
Das Münster ist also rund 1200 Jahre alt. Oder rund 500 Jahre.