Der Bier-Rezept-Generator sei durchaus eine Bieridee, schmunzelt Marc Bravin, Software Entwickler und Projektleiter an der Hochschule Luzern. Schuld sei ein Bierbrauset, das jahrelang in einer Ecke des Instituts stand. Niemand wollte damit brauen, weil ein Rezept fehlte. Und wenn in einer KI-Foschungsgruppe ein Rezept her muss, dann doch bitte eines von einer KI!
Damit war das Projekt geboren.
Hobbybrau-Seiten abgegrast
Zu Beginn sammelte das Team Daten, Bier-Rezepte aus dem Internet. Nicht nur eine handvoll, sondern – «Big Data» – über 150'000 Rezepte. In einem nächsten Schritt brachten die Forscher alle Rezepte auf den gleichen Nenner, teils von Hand, teils automatisiert, bis in allen Rezepten beispielsweise einheitliche Bezeichnungen verwendet wurden.
Nach diesem «Cleaning» blieben knapp 70'000 Rezepte übrig für das Training der künstlichen Intelligenz. Die Software spürte Muster in den Rezepten auf, Kombinationen von Zutaten, die zusammenpassen – oder auch nicht.
Und die Forscher berechneten eine Fehlerfunktion, auf Grund der die KI merkt, wann sie sich täuscht, um dann weiter zu trainieren. Führt man diesen Vorgang millionenfach durch, weiss der Algorithmus am Schluss, was zu einem guten Bier gehört und was nicht – und das natürlich unter Berücksichtigung des Bierstils.
Auf diese Weise baute sich die KI selbständig ein Modell auf, aus dem man Bier-Rezepte ableiten kann.
Gibt der Nutzer nun vorrätige Ingredienzen ein, so schlägt die KI Zutaten vor, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu passen.
Mehr vom selben
Weil jedes neue Rezept auf Daten bestehender Rezepte basiert, sind komplett verrückte Rezepte unwahrscheinlich. Diesen Eindruck macht auch das Bier, das das Team um Marc Bravin von einer kleinen Brauerei bei Luzern nach einem Rezept ihrer KI brauen liess: Herausgekommen ist ein fruchtig-zitroniges India Pale Ale, das andere schon seit längerem ähnlich brauen – ganz ohne KI.
Ist der Brau-Rezept-Generator also reine Spielrei? Ja, aber nicht nur, das zeigt ein Blick in eine andere Branche.
Parfumbranche ist schon weiter
KI alleine garantiert noch keine Kreativität. Davon kann auch Christian Schepers ein Lied singen: Er leitet strategische Projekte im Bereich Parfümerie bei Symrise, einem weltweit führenden Hersteller von Duft-und Geschmacks-Stoffen. Seit etwa drei Jahren können seine Parfumeure eine KI-Lösung nutzen, die sie bei neuen Kreationen unterstützt und ihnen einen Überblick verschafft über rund 30'000 Rohstoffe rund zwei Millionen Düfte.
Eine grosse Hürde sei gewesen, dem Algorithmus beizubringen, was identisch riecht. Auf diese Weise wollte man vermeiden, dass die KI «Kopien von Kopien» erzeugte und sich quasi «im eigenen Saft suhlt». Bevor sie einen Vorschlag macht, filtert die Software jene Duft-Ideen aus, die zu nah an bereits existierenden Düften sind und garantiert so eine gewisse Kreativität.
Es sei durchaus denkbar, dass die Technologie in Zukunft auch für die Entwicklung von Geschmackstoffen für Lebensmittel zum Einsatz komme, sagt Christian Schepers.
Auch Bier gilt als Lebensmittel. Aus dieser Optik ist die Idee der Luzerner KI-Brauer eines Tages vielleicht doch mehr als eine verspielte Bieridee.
Ein ausführliches Gespräch mit Marc Bravin von der Hochschule Luzern und Christian Schepers von Symrise gibt es in der aktuellen Ausgabe von Digital Podcast.
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