Als Kanzler Scholz das Ende der Zusammenarbeit mit FDP-Finanzminister Lindner bekannt gab, wurde es persönlich. Den Bruch habe aber ganz klar Lindner gesucht, sagt Claudia Kade, Leiterin des Ressorts Politik bei der Tageszeitung «Die Welt».
SRF News: Was haben Sie sich gedacht, als sie die Rede von Kanzler Scholz gehört haben?
Claudia Kade: Es war tatsächlich eine sehr ungewöhnliche Rede des als norddeutsch-nüchtern und wenig emotional bekannten Kanzlers. Das Gegenteil hat er gestern präsentiert. Es hatte etwas von einer Inszenierung, wie er dem Finanzminister fortgesetzten Vertrauensbruch und jahrelange Klientelpolitik vorwarf. Dabei stellte sich die Frage, warum er nicht viel früher auf den Tisch gehauen hat. Scholz wollte als starker und handlungsfähiger Mann aus dem Abend gehen und verhindern, dass Lindner von sich aus hinschmeisst und die Ampel zum Platzen bringt.
Scholz wollte als starker und handlungsfähiger Mann aus dem Abend gehen und verhindern, dass Lindner von sich aus hinschmeisst und die Ampel zum Platzen bringt.
Die Differenzen in der Ampelregierung sind schon länger offensichtlich, wer trägt letztlich die Schuld am Bruch?
Der FDP-Vorsitzende Lindner hat ganz klar den Bruch gesucht und das Ganze auf die Spitze getrieben. Die FDP hat in dieser Koalition am meisten Federn gelassen und befindet sich jetzt sozusagen in der parlamentarischen Existenzkrise unter der Fünf-Prozent-Hürde in den Umfragen. Sie würde so nicht in den nächsten Bundestag einziehen. Lindner kalkulierte womöglich, dass es ihm von einigen Wählern gedankt würde, wenn die FDP die Ampel zu einem Ende bringt.
Scholz will am 15. Januar im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Das fordert Oppositionsführer Friedrich Merz von der Union CDU/CSU bereits für kommende Woche. Wie entscheidend ist die Terminfrage?
Ich finde das schon entscheidend, ob wir in wenigen Wochen oder erst im neuen Jahr einen neuen Bundestag wählen. Es geht in Deutschland schon länger nichts mehr richtig voran bei der starken Wirtschaftskrise. Für Entscheidungen zu Reformen und Unterstützungsprogrammen hat die Ampel seit längeren keine Kraft mehr. Deshalb finde ich je schneller, desto besser, weil sich ja eine neue Regierung auch wieder einarbeiten muss. Ebenso nachvollziehbar ist der Januar-Termin, damit keine Zweifel an der demokratischen Abwicklung aufkommen – aber nicht unbedingt wünschenswert.
Wer wird von den Neuwahlen profitieren?
Es ist interessant, wie das in den nächsten Wochen jetzt weitergeht: Scholz und die Grünen möchten es so aussehen lassen, dass sie in ihrer Minderheitsregierung geräuschloser zusammenarbeiten können als mit den Liberalen als Störenfried. Gleichzeitig möchten sie die Union schlecht dastehen lassen als Blockierer, wenn sie selber Gesetzesvorschläge einbringen. Das ist sozusagen das Kalkül von Rot-Grün. Die Union wird ebenso eigene Gesetzesvorschläge einbringen und dann auf Rot-Grün zeigen, wenn die nicht mitmachen.
Der nächste Kanzler wird wohl Friedrich Merz heissen. Was er durchsetzen kann, hängt davon ab, mit wem er koalieren kann.
Könnten Neuwahlen allenfalls auch der rechtspopulistischen AfD gelegen kommen?
Das kann durchaus sein. Wenn bis ins neue Jahr hinein nur Blockade herrscht, ist das nicht vertrauensbildend in der Wählerschaft, die sehr unzufrieden ist. Sowohl mit dem Ampelparteien als auch mit der Union, die in Umfragen zwar vorne liegt. Aber viele glauben gar nicht daran, dass es unter einer von der Union geführten
Regierung sehr viel besser wird. Der Frust sitzt verbreitet tief. Es kann sein, dass die AfD davon profitiert, die in den Umfragen auf Platz zwei liegt. Der nächste Kanzler wird wohl Friedrich Merz heissen. Was er durchsetzen kann, hängt davon ab, mit wem er koalieren kann.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.