In Syrien, dem aktuell blutigsten Konflikt, hält sich praktisch keiner der Akteure an das humanitäre Recht – schon gar nicht die Terrormiliz IS. Das syrische Regime mit seinen Fassbombenabwürfen sowie Russland verhalten sich kaum besser. Auch die westlichen Luftwaffen verletzen das Recht, denn zu ihren Lasten gehen hunderte von zivilen Toten.
IKRK spricht selbst mit Gewalttätern
Dabei gelten die Normen, deren wichtigstes Prinzip es ist, bei Kampfhandlungen klar zwischen Zivilisten und Kämpfern zu unterscheiden, für alle. Weil in modernen Konflikten immer häufiger Akteure wie Dschihadisten, Terrorgruppen oder Guerillamilizen Schlüsselrollen spielen, muss das IKRK verstärkt auf sie einwirken.
Auch dort, wo Milizen wie Taliban, Boko Haram oder der IS tätig seien, würden viele religiöse Führer darauf insistieren, dass das humanitäre Völkerrecht Teil des jeweiligen kulturellen Umfelds sei, sagt IKRK-Präsident Peter Maurer. Dies zwinge das Rote Kreuz dazu, selbst mit Gewalttätern ins Gespräch zu kommen.
Es gehöre zu den «wesentlichen Tätigkeitsmodalitäten» des IKRK, möglichst nahe am Konfliktgeschehen zu sein. Dazu gehörten die Opfer, aber auch die «Täter und Waffenträger». Das sei enorm schwierig und längst nicht immer erfolgreich, räumt der IKRK-Präsident ein.
Grosse Herausforderung
Der IKRK-Präsident ist aber überzeugt davon, dass auf Dauer selbst gewalttätige Bewegungen Rücksichten nehmen müssten. «Unsere grössten Erfolge sind dort, wo sich die Bevölkerung auflehnt», so Maurer. Allerdings ist der Zugang zu den Drahtziehern solcher Organisationen mühsamer als zu Führern staatlicher Armeen. Schliesslich könne man nicht irgendwo auf der Welt eine Konferenz mit Taliban-, Boko-Haram- oder IS-Kommandanten durchführen.
Eine der grössten Herausforderung und zugleich prioritäres Ziel für Maurer ist, möglichst bald auch im Gebiet, das vom sogenannten Islamischen Staat kontrolliert wird, Hilfe leisten zu können. Zwar gebe es «nicht eine Führung des ‹Islamischen Staates›, mit der wir jetzt sprechen würden», sagt er.
Aufgeben ist keine Option
Das Ganze sei enorm schwierig und man müsse Umwege gehen. So gebe es «Exponenten dieses ‹Islamischen Staates›, welche wir treffen». Mit ihnen versuche man Modalitäten auszuhandeln, um humanitäre Dienstleistungen erbringen zu können. Noch gelingt das kaum. Doch angesichts der Not im Gebiet des IS sei es keine Option für das IKRK, aufzugeben.
Inakzeptabel für das IKRK sind dabei Gegengeschäfte. «Wir liefern nicht als Gegenleistung humanitäre Hilfe», betont Maurer. Zudem sei wichtig zu verstehen, dass das IKRK das IS-Terrorregime durch Gespräche nicht aufwerte. Denn es gehe einzig darum, ein eng begrenztes Ziel zu erreichen: Nämlich humanitäre Hilfe leisten zu können.