Was für ein Eklat und in welcher Tonlage! Der Kanzler wirft dem Finanzminister vor, «Entscheidungen sachfremd blockiert» und sein Vertrauen «zu oft gebrochen» zu haben. Der Finanzminister spricht von matten und unambitionierten Vorschlägen des Kanzlers. Da ist noch mehr Geschirr zerschlagen, als vermutet, ein Ende nicht mehr abwendbar. Kanzler Scholz will Mitte Januar die Vertrauensfrage stellen – danach kommt es zu Neuwahlen.
Die letzten Tage brachten das Fass zum Überlaufen: Die drei Regierungspartner SPD, Grüne und FDP vollzogen Sololäufe bei Wirtschaftskonzepten, beschuldigten sich gegenseitig und lagen im Dauerstreit auf offener Bühne – das Vertrauen ist auch nach aussen längst verspielt.
FDP-Rettungsversuch statt Regierungsverantwortung
Finanzminister Christian Lindner verlangte zuletzt eine grundsätzliche Wirtschaftswende und zielte auf die Kernthemen der Koalitionspartner: Abstriche bei Sozialstaat und Klimazielen, bei gleichzeitiger Forderung nach Steuersenkungen. Mit «FDP pur» konterkarierte er die Suche nach einem Kompromiss. Lindner provozierte wohl den Absprung. Sein mutmassliches Kalkül: Die unbeliebte Regierung verlassen, sich der CDU/CSU andienen und damit mehr Zustimmung bekommen bei der nächsten Wahl.
Krise, nichts als Krise
Diese Regierung hatte aber einen schweren Stand. Nicht wegen der ideologischen Spannweite – die war von Anfang an bekannt. Aber die Herausforderungen kumulierten sich: russischer Angriffskrieg, Energiekrise und die Krise der deutschen Wirtschaft. Kompromisse verhalfen zu Lösungen. So gelang es, das Gas zu ersetzen, das Putin nicht mehr lieferte; auch dank Laufzeitverlängerung von Kohlekraftwerken – grüne Zugeständnisse.
Als das Bundesverfassungsgericht die Umwidmung des Klimafonds für gesetzeswidrig erklärte, fehlten plötzlich 60 Milliarden in der Staatskasse. Es ging nur noch ums Geld. Lindner sperrte sich gegen jegliche finanziellen Zugeständnisse – trotz der Herausforderungen, die sich mit Trump als US-Präsidenten ankündigen, Mehrkosten für Ukrainehilfe, Verteidigung und Wirtschaft.
Harter Parteienwettbewerb verhindert Kompromisse
Das Dreierexperiment ist gescheitert. Das ist auch eine schlechte Nachricht für die Demokratie. Die Fragmentierung der Parteienlandschaft fordert immer buntere Koalitionen, die immer weiter auseinanderliegen. Gleichzeitig wird der Parteienwettbewerb immer härter, die Kompromissfähigkeit reicht nicht einmal mehr fürs Regieren.
Langfristig sind das schlechte Aussichten. Kurzfristig ist der Neustart aber eine Chance für Deutschland. Nur ein Scheitern kann sich die nächste Regierung nicht leisten.