Und dann geschah es, dass ausgerechnet der Türsteher der Ampel-Koalition seinen Daumen in der Tür einklemmte. Jener Kanzler also, Olaf Scholz, der gerade seinem Finanzminister Christian Lindner die Tür wies, hatte selbst einen schwarzen Daumennagel. Eben, eingeklemmt im Kampf mit der Tür. Ein Missgeschick, sichtbar für alle.
Das Ende der Männerfreundschaft mit Christian Lindner
Was war diese Ampel-Koalition anderes als ein eingeklemmter Daumen, ein Missgeschick? Es begann fröhlich und zuversichtlich – und endete im Streit, in der Beleidung und Schuldzuweisung. Und im Ende einer Männerfreundschaft. Eigentlich waren Olaf Scholz und Christian Lindner die stabile Achse dieser Ampel, die beiden Männer verband eine Freundschaft. Geburtstage, Hochzeiten: Man feierte zusammen. Mit mildem Lächeln zum Beispiel schenkte Christian Lindner dem Kanzler einen Spargelschäler zum Geburtstag – Küchengerät, fast schon rührend unter Männern. Und Scholz nahm Rücksicht auf Lindner, liess ihm viel durchgehen, riskierte darum immer wieder Streit mit den Grünen. Streit mit Robert Habeck, der Scholz rhetorisch und bei der Kunst der grossen Geste überlegen ist.
Das muss Scholz immer gewurmt haben – aber eben, Scholz blieb loyal zu Lindner bis zur Selbstverleugnung. Ein Stück weit opferte Scholz seine Autorität für die FDP, für Lindner. Doch dann fühlte sich Scholz immer mehr verraten, die Freundschaft erodierte und endete in einem extrem emotionalen spätabendlichen Statement von Scholz, der von verlorenem Vertrauen sprach, so, als trennte er sich im Streit von seiner Frau. Sichtbar, live im TV: die tiefe Verletzung des Regierungschefs einerseits, des Menschen Olaf Scholz vor allem.
Schlussszenen einer Kanzlerschaft
Am Mittwoch nun steht Scholz im Bundestag – es wird wohl seine letzte grosse Rede im Parlament. Zuvor, um elf Uhr, im Kabinett, verabschiedete man ein Verbot von Lachgas, einer Partydroge. Quasi der letzte, eher kleine Wurf, der an Symbolik kaum zu überbieten ist. Denn jetzt gehts nüchtern weiter, die gemeinsame Ampel-Vernebelung hat ein Ende.
Scholz wird um seine Kanzler-Kandidatur kämpfen, auch wenn immer mehr in der Partei «grummeln» und lieber Verteidigungsminister Boris Pistorius als SPD-Frontmann hätten. Gegenwind also von allen Seiten. An der nachmittäglichen Bundestagssitzung wird Scholz von Oppositionschef – und wohl auch seinem Kanzler-Nachfolger – Friedrich Merz geradezu demontiert, beleidigt sogar, abgewatscht wie ein Primarschüler. Merz bezeichnet die Regierungserklärung als «Geisterstunde». Und auch Lindner tritt nach, als wäre er nie Ampel-Mann gewesen. Der Kanzler, das ist Scholz ja noch, kann einem fast leidtun. Zu besichtigen ist ein Mann am Ende, am Ende seiner Kanzlerschaft, am Ende seiner Chance, zu regieren.
Zwar gibt sich Scholz wahl-kämpferisch, angriffig. Spricht ungewöhnlich druckvoll, schnell. Gibt den starken Mann. Doch als Scholz auf seinen Auftritt wartet, lässt er einen Blick in sein Inneres zu, ist sichtlich nervös. Dreht sich auf dem Stuhl hin und her, weiss nicht so recht, wohin mit den Händen und den Blicken. Scholz ist allein, schutzlos, fast so wie sein schwarzes iPhone, das er immer ohne Hülle benutzt.
Wer politisch handeln will, braucht aber eine dicke Haut, eine Schutzhülle. Und gesunde Hände. In dieser Hinsicht ist Scholz zumindest limitiert, der schwarze Nagel aus der eingeklemmten Tür macht es für alle sichtbar.