Vor ziemlich genau 40 Jahren, am 28. November 1974, ratifizierte die Schweiz als einer der letzten Staaten West-Europas die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Das wird nächste Woche im Parlament gefeiert – in Anwesenheit des Präsidenten des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR).
Schon seit 1950 schützt die EMRK die Menschenrechte und Grundfreiheiten der europäischen Bürger gegenüber dem Staat. Sie lauten:
- Recht auf Leben
- Folterverbot
- Recht auf ein faires Verfahren
- Achtung des Familienlebens
Doch die Urteile des EGMR, welcher die EMRK durchsetzt, geben immer wieder zu reden. Und das nicht erst seit gestern: Bereits Ende der 1980er-Jahre hat die Schweiz die EMRK beinahe gekündigt. Und im November dieses Jahres hat Bundesrat Ueli Maurer im Bundesrat die Kündigung der EGMR beantragt.
«Die Schweiz wurde nur selten verurteilt»
Seit dem helvetischen Beitritt vor 40 Jahren sind 5940 Beschwerden gegen die Schweiz eingegangen. Bei weniger als 2 Prozent der Fälle – 125 Mal – kam es zu einem Urteil. In 82 Fällen wurde die Schweiz wegen Menschenrechtsverletzungen verurteilt.
«Das ist wenig», sagt der Chef der Direktion für Völkerrecht im Aussendepartement, Valentin Zellweger. «Nur in ganz wenigen Fällen hat Strassburg tatsächlich für die Schweizerinnen und Schweizer und gegen den Staat entschieden.»
Am meisten Urteile gegen die Schweiz gab es wegen Artikel 6: Das Recht auf ein faires Verfahren. Ein Beispiel dafür ist der Fall «Moor». Ein Arbeiter erkrankt in den 1970ern an Krebs. Moor hatte Kontakt mit Asbest. Der Mann stirbt. Seine Familie bringt den Fall vor Bundesgericht. Der Fall sei verjährt, sagt Lausanne. Doch der EGMR gibt der Familie im März dieses Jahres Recht.
«EGMR hat Schweizer Recht verbessert»
«Es kann nicht sein, dass die Verjährungsfrist abläuft, bevor sich jemand wehren kann», sagt Valentin Zellweger über das Urteil. Man sei daran, das Schweizer Gesetz anzupassen. «Der Gerichtshof hat hier eine äusserst wichtige Rechtsentwicklung angestossen, welche die Rechte der Schweizer besser schützt.»
In letzter Zeit führen auch Fälle wegen Artikel 3 – Verbot der Folter und unmenschlicher Behandlung – zu Kritik. Da ist beispielsweise die afghanische Familie, die nicht nach Italien zurückgeschafft werden darf ohne Garantien für die Unterbringung der Kinder.
Stefan Trechsel, ehemaliger Gerichtspräsident der ersten Kammer des EMGR, ist nicht immer zufrieden mit den Entscheiden seiner Kollegen: «Es gibt tatsächlich eine Anzahl Urteile, die mich nicht glücklich machen. Aber das ist beim Bundesgericht natürlich auch so. Das gehört zur Rechtsentwicklung, das müssen wir hinnehmen wie andere Staaten auch.»