Die EU-Staats- und Regierungschefs kommen an diesem Donnerstag in der belgischen Hauptstadt zusammen. Sie wollen über Konsequenzen aus der jüngsten Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer beraten. Das teilte EU-Ratspräsident Donald Tusk mit, der zugleich klar machte: «Das kann nicht so weitergehen.»
Mit einem Zehn-Punkte-Plan will man auf die Tragödie von mindestens 700 ertrunkenen Bootsflüchtlingen im Mittelmeer reagieren. Er sieht unter anderem vor, mehr Geld für Such- und Rettungsaktionen zur Verfügung zu stellen. Das Einsatzgebiet für die Schiffe soll ausgeweitet werden.
Das würde eine Kehrtwende in der EU-Politik bedeuten, meint SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck. Denn die Mission soll auch vermehrt für die Rettung der Flüchtlinge zuständig sein. Bis anhin waren viele EU-Staaten der Ansicht, zu viele Rettungsangebote seien ein Anreiz für Flüchtlinge, so Ramspeck weiter.
Härteres Vorgehen gegen Schlepper gefordert
Und auch heute noch wird Kritik laut. «Wenn wir den Schleppern ihre Arbeit erleichtern und von Bord gegangene Flüchtlinge entgegennehmen, wird daraus für sie ein noch besseres Geschäft», warnte zum Beispiel der tschechische Aussenminister Lubomir Zaoralek.
Der britische Ressortchef Philip Hammond stiess ins gleiche Horn und forderte, vor allem den Kampf gegen Menschenhändler zu intensivieren. Mehrere Minister von EU-Staaten kündigten ausserdem ein härteres Vorgehen gegen Schlepper an.
Deshalb sollen Boote von Schleppern ausfindig gemacht und zerstört werden.
Italien und Griechenland sollen Hilfe bekommen, um Asylanträge schneller zu bearbeiten. Die Staats- und Regierungschefs sollen zudem Möglichkeiten ausloten, um Flüchtlinge im Notfall auf mehrere Staaten zu verteilen.
Fluchtgründe an der Wurzel bekämpfen
Zugleich warnte der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier vor zu grossen Erwartungen an den Gipfel. Es brauche «gemeinsame Anstrengungen zur Verbesserung der Seenotrettung», aber eine Lösung der Probleme sei nur möglich, wenn die Fluchtgründe an der Wurzel bekämpft würden, sagte er.
In diese Kerbe schlug auch Peter Maurer, Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz: «Der Tod dieser Menschen erinnert in schrecklicher Weise an die Auswirkungen der sich verschärfenden Konflikte in Libyen, Syrien, im Mittleren Osten sowie in anderen afrikanischen Staaten», heisst es in einem Communiqué.
Vermutlich Hunderte Tote
In der Nacht zum Sonntag war ein Fischerboot mit Hunderten Flüchtlingen an Bord vor der libyschen Küste gekentert. 24 Leichen wurden seither geborgen, 28 Menschen gerettet.
Der zuständige italienische Staatsanwalt Giovanni Salvi erklärte, die meisten Flüchtlinge seien in den unteren Decks des Schiffs eingesperrt gewesen, als das Unglück geschah. Warum die Menschen eingesperrt waren, blieb unklar.
Die von einem Überlebenden angegebene Zahl von 950 Menschen an Bord ist laut Salvi eine Schätzung. Die Küstenwache geht von einigen Hundert Menschen aus.
Die Hoffnung, noch weitere Überlebende zu finden, schwindet jedoch zusehends.
Eine Million Flüchtlinge wartet auf Überfahrt
In Italien kommen derzeit Tausende Menschen vor allem aus Ländern Afrikas südlich der Sahara und aus dem Bürgerkriegsland Syrien an. Viele Boote starten in Libyen, das ebenfalls von einem Bürgerkrieg zerrissen ist.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft im italienischen Palermo warten in dem Land bis zu eine Million Flüchtlinge auf die Überfahrt nach Europa.
Malta fordert UNO-Mandat
Menschenrechts- und Hilfsorganisationen fordern schon länger, die 2014 von Italien eingestellte Rettungsoperation «Mare Nostrum» gemeinsam zu erneuern. Denn die Frontex-Mission Triton, mit der «Mare Nostrum» abgelöst wurde, hat laut Human Rights Watch viel weniger Schiffe, nur ein Drittel des Budgets und ein kleineres geografisches Ausmass.
Uno-Flüchtlingskommissar António Guterres forderte seinerseits legale Fluchtwege und «humanitäre Visa». Und UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon plädierte für eine allgemeine Anerkennung des Rechts auf Asyl für die Kriegsflüchtlinge.
Malta forderte derweil ein UNO-Mandat für ein gezieltes Vorgehen gegen Schlepperbanden.