Haben Flüchtlinge aus Bürgerkriegsländern das Recht auf ein humanitäres Visum für die Einreise in die EU? Die Antwort des Europäischen Gerichtshofs (EuGH): EU-Staaten sind nicht verpflichtet, Asylbewerbern ein Visum zur legalen Einreise auszustellen.
Aus dem Unionsrecht liessen sich keine derartigen Verpflichtungen ableiten, argumentierte das oberste Gericht der EU in Luxemburg. Massgeblich sei allein das nationale Recht.
Die Vorgeschichte:
Ein syrisches Ehepaar wollte mit seinen drei kleinen Kindern aus Aleppo nach Europa fliehen. Es beantragte dazu im belgischen Konsulat im Libanon ein Visum.
Einer der Antragssteller aus der Familie berichtete von Entführung und Folter durch eine bewaffnete Gruppe.
Belgien lehnte den Antrag ab. Das Land argumentierte, dass sich die Familie länger als die mit einem Visum bewilligten 90 Tage in Belgien aufhalten wollte. Zudem seien EU-Staaten nicht verpflichtet, alle Menschen aufzunehmen, die eine katastrophale Situation durchlebten.
Der EuGH-Generalanwalt hatte dieser Argumentation widersprochen. Er schrieb, die Erteilung nationaler Visa werde von einer EU-Verordnung geregelt. Diese schreibt das Recht auf Asyl fest und verbietet Folter. Ein EU-Staat müsse in solchen Fällen Visa zur Einreise vergeben.
Dieser Argumentation des Generalstaatsanwalts widersprach nun das Gericht. Es wies darauf hin, dass der Visakodex nur für geplante Aufenthalte von höchstens drei Monaten gelte. Die syrische Familie habe aber ihre Anträge auf Visa aus humanitären Gründen in der Absicht gestellt, in Belgien Asyl zu beantragen.
SRF-Korrespondent Oliver Washington zum Asyl-Entscheid des EuGH
Die Richter in Brüssel entschieden heute formaljuristisch und spielen damit den Ball der Politik zu. Die Frage, wie Flüchtlinge sicher in die EU kommen können, um Asyl zu beantragen, ist nach wie vor ungeklärt. Zwar spricht die EU seit Beginn der Flüchtlingskrise im Sommer 2015 davon, den Flüchtlingen auch legale Möglichkeiten der Einreise zu gewähren. Sie hat auch einzelne Programme gestartet, mit denen Flüchtlinge legal und sicher in die EU einreisen können, wenn sie sich bereits in einem Drittstaat aufhalten. Das betrifft etwa syrische Flüchtlinge, die schon in der Türkei sind. Doch viele Flüchtlinge haben keinen Zugang dazu. Menschen, die sich in einem Kriegsgebiet aufhalten können davon erst recht nicht Gebrauch machen, wie die syrische Familie aus Aleppo. Das Urteil des EuGH ist keine Absage, ihnen zu helfen und humanitäre Visa zu vergeben. Der Entscheid sagt lediglich, dass das heutige EU-Recht dazu keine rechtliche Grundlage liefert. Die Mitgliedstaaten können nun individuell entscheiden, ob sie humanitäre Visa trotzdem anbieten, oder ob sie auf europäischer Ebene die rechtlichen Voraussetzungen für eine europäische Lösung schaffen.
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